22. Going loco down in Acapulco…

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...doch zuerst auf den Spuren von Rambo



Keine Bratwurst und auch nicht die richtigen Batterien für unseren Spotnik. Hmm, genug gesehen in und von Zihuatanejo.

War jedenfalls nett gewesen hier.

Mal sehen was uns unser nächstes Ziel bieten kann: Acapulco!

Jeder kennt es aus dem TV, jeder kennt die berühmt berüchtigten Klippenspringer.

Doch wir hatten gehört, dort gäbe es eine Deutsche, die Bratwürste verkauft. Dazu aber später mehr.

Ihr wisst ja mittlerweile, dass es mich nicht unbedingt in große Städte zieht. Conny schon eher. Doch diesmal meinte auch sie, es wäre besser, nicht direkt in Acapulco zu übernachten sondern lieber etwas außerhalb.

10 Kilometer vor Acapulco und vier Stunden Fahrt entfernt von Zihuatanejo liegt „Pie de la Cuesta“ auf einer Landzunge, die eine riesige Lagune vom Meer trennt.

Ein ruhiger Ort mit kilometerlangem, extrabreitem Sandstrand.

Über die Landzunge führt eine einzige Strasse. Auf der einen Seite stehen die Häuser am Strand des Pazifik, auf der anderen direkt an der Lagune. Man hat den Eindruck an einem großen See zu stehen wenn man auf die Lagune schaut.

Nur ein kleiner Ausschnitt der Lagune


Wir entschieden uns für ein Hotel am Meer. Das „Nirvana“ bot nebst angenehmen Zimmern einen Palmengarten mit Pool und, natürlich, direktem Zugang zum Strand.

Super Atmosphäre im Hotel "Nirvana"


Die Besitzer des Hotels, ein Pärchen aus den USA, freuten sich über uns als doch eher außergewöhnliche Gäste und wir sassen am Abend lange zusammen und plauderten. Unter Anderem über die damalige wirtschaftliche und politische Lage in Mexiko.

Politik ist nicht das worüber ich hier fachsimpeln will, ich erwähne das nur, weil eben durch diese politische Lage die wirtschaftliche in eine sehr negative Position gebracht wurde.

Long story short: Aufgrund vermeintlicher Sicherheitsbedenken kamen damals die US-Amerikaner nicht mehr in diese Gegend um Urlaub zu machen, was die Besitzer des „Nirvana“ dazu bewegte ihr Hotel zum Verkauf anzubieten.

„Ihr seid doch auf der Suche nach einem neuen Platz zum Leben! Wäre das nichts für Euch?“

Uups, da bietet uns doch tatsächlich jemand ein Hotel zum Kauf an.

Ehrlich gesagt: Obwohl ganz klar war, dass diese Gegend nicht in unser Beuteschema passte, für den Bruchteil einer Sekunde haben wir beide darüber nachgedacht.

„Nein danke, wir suchen noch etwas weiter.“

Bei dem einen oder anderen Bierchen kamen freilich auch noch weitere Themen auf den Tisch. Wir wollten von den Beiden wissen, was sie uns denn als sehenswert empfehlen können.

„Eine Bootsfahrt über die Lagune, die startet gleich ein paar hundert Meter von hier die Strasse runter, kostet soundso viel, dauert soundso lange und der Anbieter holt Euch hier ab.“

Gebongt!

Am nächsten Morgen gab‘s erst einmal ein feines Frühstück unter dem Palapadach inmitten des Palmengartens bevor wir abgeholt wurden.

Kaffee und der Lonely Planet - Conny ist im Glück...


Nach einer kurzen Fahrt waren wir am Anleger.

Kein Boot!

Oh-oh, das kannten wir doch schon!

Doch anders als damals in San Blas mussten wir nicht lange warten und das Boot kam angefahren.

Außer uns waren nur noch ein paar wenige Leute mit an Bord und die Fahrt konnte losgehen.

La Laguna de Coyuco


Was für ein Unterschied es doch ist zwischen Süß- und Salzwasser!

Wir fühlten uns fast wie auf einem überdimensionalen Baggersee. Gelegentlich kamen wir an einem Teppich von Seerosen oder Algen vorbei. Ein paar andere Boote, zumeist sehr einfache Fischerboote, kreuzten unseren Weg. Die Kapitäne schienen sich alle mit Vornamen zu kennen.

Hier wird mit einfachen Handleinen geangelt


Unser Ziel war eine Insel in der Lagune, auf der laut Tourguide (unser Kapitän) ein Mann mit seinen sieben Frauen leben soll.

Wir sind immer noch in Mexiko - Polygamie wird hier nicht toleriert!

Wie dem auch sei, überprüfen konnten wir den Wahrheitsgehalt dieser Story eh nicht, denn die Insel konnten wir nicht wirklich erkunden.

Das Boot legte direkt in einem, naja nennen wir es mal „Restaurant“ an.

In einem Restaurant?

Nun ja, dieses liegt so dicht am Strand, dass das Wasser bis an die Tische reicht. Ein Sonnenschutzdach aus Palmblättern überdeckt auch einen Bereich im Wasser. So ist es möglich mit dem Boot direkt ins Restaurant zu fahren.


Die meisten Leute, ausschließlich einheimische Touristen, bestellten sich etwas zu Essen, wir begnügten uns mit einer Cola, auch wenn der Name unseres Bootes etwas anderes suggerierte:

„MARGARITA“

stand in großen Lettern auf der Außenseite des Bootes…

Drink Empfehlung?


Die Leute genossen ihr Essen und viele gingen danach wie selbstverständlich ins Wasser um sich zu erfrischen.

Mit vollem Bauch sollte man nicht...


Nichts außergewöhnliches.

Ich schaute einfach nur zu. Mein Blick fiel auf einen Mann, der auf dem Wasser stand und angelte.

Moment mal! Auf dem Wasser?

Jip, der stand förmlich auf der Wasseroberfläche!

„Jesus oder was?“ dachte ich mir.

Was würdet Ihr hierbei denken?


Bei näherem Hinsehen wurde jedoch klar wie das gehen konnte: Vom Strand weg ging ein schmaler Steg ins Wasser, der nach ein paar Metern vermutlich etwas abgesackt war, nun knapp unter der Oberfläche lag und deshalb von meiner Warte aus nicht zu sehen war.

Wir stiegen wieder ins Boot und die Fahrt ging weiter.


Was wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: In dieser Lagune musste sich Sylvester Stallone 1984 für Dreharbeiten zu „Rambo II“ im Kampf gegen die Vietnamesen durch die Büsche kämpfen.

Als wir an die (ehemalige) Filmkulisse kamen machte diese jedoch einen sehr friedlichen Eindruck  (Rambo hatte offensichtlich einen guten Job gemacht…).

Irgendwo hier kämpfte "Rambo" gegen "das Böse"


Wieder am Ausgangspunkt angekommen entschieden wir uns für den Heimweg zu Fuß am Strand entlang.

Deine Spuren im Sand... (gern geschehen)


Im Hotel angekommen lachte uns der Pool an.

Zum Abschluss des Tages ein paar Runden durch das badewannenwarme Wasser schwimmen, danach ein Bierchen und gut.

Wir waren ja schon sehr gespannt, was Acapulco so zu bieten hätte.

Am nächsten Morgen setzten wir uns in einen Bus der uns ins Zentrum der Stadt brachte.

Bus fahren in Mexiko ist anders.

Wir waren jedoch mittlerweile daran gewöhnt.

Conny hatte irgendwoher die Adresse oder zumindest die Gegend herausgefunden, wo wir hofften, die Deutsche mit ihren Bratwürsten zu finden. Diese sollte angeblich schon seit 35 Jahren hier sein.

Fehlanzeige! Kein Bratwurstduft weit und breit.

Wir fragten uns durch und bekamen die Auskunft, sie hätte ihr Geschäft geschlossen.

Schade, hatten wir uns doch nebst einer lecker Wurst ein paar nützliche Tipps von der Dame erhofft.

Nun gut, dann schauen wir uns eben die Stadt an.

Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Acapulco war oder ist so ganz und gar nicht nach unserem, auch wenn ich hier Ausnahmen einräumen muss:

Wir waren ja immer noch auf der Suche nach den richtigen Batterien für unseren Spotnik.

WALMART‘

strahlte uns ein überdimensionales Schild an.

Conny hatte keinen Bock auf Walmart-Stress also begab ich mich alleine in den riesigen Markt.

War mein erstes Mal, muss ich nicht unbedingt nochmal haben.

Ach übrigens: Keine Lithium-Batterien gefunden.

Irgendetwas hatte ich dennoch gekauft, musste also an einer der unzähligen Kassen mit all den überfüllten Bändern anstehen.

Überfüllt mit Wohlstandsgütern.

Vor mir legt eine junge Frau ein Päckchen Hot-Dog Würstchen der billigsten Marke, ein Päckchen Tortillas und einen Behälter mit Babynahrung auf‘s Band.

Das Billigste, um satt zu werden und offensichtlich Nahrung für‘s Baby zu Hause.

Dann dreht sie sich zu mir um und fragt mich nach Geld.

Wie Ihr ja wisst, geben wir grundsätzlich kein Geld an Leute die betteln, also habe ich verneint.

Die Kassiererin zieht die drei Artikel über den Scanner. Die junge Frau schaut auf den Bildschirm und legt das Paket Tortillas wieder zurück.

„No tengo dinero“ (ich denke, diesen Satz versteht jeder).

Auf der einen Seite der Überfluss und auf der anderen können sich Menschen nicht mal Grundnahrungsmittel leisten. Tortillas für umgerechnet etwa einen, lass es zwei Euro gewesen sein!

Die junge Frau bezahlte und ging.

Ohne die Tortillas.

Diese legte ich kurzerhand wieder auf‘s Band zu meinen Sachen, bezahlte und eilte der jungen Frau hinterher.

Dankbar und sichtlich erleichtert nahm sie die Tortillas und verschwand in der Menge.

Acapulco, so wurde uns gesagt, ist auch eine Stadt mit sehr hoher Kriminalitätsrate, was sie uns nun nicht unbedingt sympathischer machte.

Ein Teil der Stadt, der mit schönem Strandabschnitt, ist anders als der Rest:

Die Touri-Vergnügungsmeile.

Ballermann pur.

Wer das mag ist hier bestens aufgehoben, wir fühlen uns da nicht wohl.

So, jetzt aber genug gemeckert, schließlich hat Acapulco auch seine guten Seiten.

Eine davon ist weltberühmt: Die „Clavadistas“.

Die Klippenspringer, die todesmutig aus Höhen von bis zu über 35 m von den Felsen ins Meer springen.

Kopfüber.

Nicht allzu spektakulär könnte man jetzt denken.

Richtig, wäre da nicht noch eine Kleinigkeit.

Die Stelle an der die Jungs rein springen ist eine Art Minibucht, ich würde mal schätzen, so um die 10 Meter breit.

Der Wasserspiegel steigt und fällt mit den Wellen die in diese Bucht kommen um mehrere Meter.

Im Minutentakt.

Das bedeutet für die Akrobaten, dass sie nicht nur den Mut aufbringen müssen aus der enormen Höhe zu springen, sondern auch noch den exakten Zeitpunkt erwischen müssen um nicht auf dem Grund aufzuschlagen.

Wir besuchten dieses Schauspiel, das mehrmals täglich vorgeführt wird.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Absprungplatzes ist eine Zuschauerplattform, wesentlich niedriger als der Absprungplatz selbst.

Der Arbeitsplatz der "Clavadistas" und die Zuschauerplattform aus der Ferne


Wir bezahlten unseren Eintritt, gingen hinaus auf die Plattform, den Fotoapparat im Anschlag.

Kurz bevor das Spektakel beginnt versammeln sich auch mehrere Boote draußen vor der Bucht, ebenso mit Zuschauern.

„Wie kommen die Jungs denn eigentlich hoch zum Absprungspunkt?“ fragten wir uns.

Die Antwort folgte auf dem Fusse: Wir standen an der Brüstung und staunten über die schiere Gewalt der Wellen, die in die Bucht schlugen, als sich ein paar einheimische Jungs, bekleidet nur mit lila Badehosen, an uns vorbei drängten und kurzerhand - in die Tiefe sprangen.

Kopfüber, versteht sich.

Ok, Jetzt wussten wir wie sie da rüber kamen. Doch wie würden sie dort hoch kommen!?!

Auch dies sollten wir umgehend erfahren: Klettern.

Frei, ohne Seil oder anderen Sicherheitsmaßnahmen klettern die Jungs behende die gut 35 m nach oben.

Schon der Aufstieg ist eine akrobatische Leistung


Auf unterschiedlich hohen Felsvorsprüngen platzierten sie sich und bereiteten sich auf ihren Sprung vor.

Höhenangst wäre hier nicht angebracht


Nicht ohne sich mehrmals zu bekreuzigen.

Ich musste den Zoom unseres Fotoapparates auf maximal einstellen um die Person überhaupt einigermaßen erkennen zu können, was natürlich das Verfolgen beim eigentlichen Sprung ziemlich erschwert hat.

Zuerst sprang einer vom untersten Vorsprung.

Genau in dem Moment als das Wasser in die Bucht fließt taucht er ein und steigt unter Applaus der Zuschauer auf der anderen Seite wieder aus dem Wasser, klettert zu uns hoch und wird bejubelt.

Manch einer der Zuschauer steckt ihm etwas Geld zu.

Als nächstes springen zwei Jungs synchron vom nächst höher gelegenen Punkt.

Ich finde die Schatten so faszinierend (genau hinschauen...)


Auf dem allerhöchsten Absprungspunkt ist ein Altar errichtet.

Der letzte Springer dreht sich zu diesem kurz um, bekreuzigt sich mehrmals und wendet sich mit ausgestreckten Armen dem Publikum zu.


Stille!

Würde das Meer nicht rauschen, man könnte einen Moskitofurz hören.

Nochmals bekreuzigt sich der junge Mann, bevor er mit einem eleganten Absprung, die Arme weit von sich gestreckt in die Tiefe rauscht.

Erstaunte „Aahs“ und „Oohs“ sind von den Zuschauern zu vernehmen.

Der Springer taucht ein in die Welle.

Ok, abgetaucht ist er.


Wird er wieder auftauchen?

Schallender Applaus und Jubel weicht der gespannten Stille als sein Körper aus dem noch immer sprudelnden Wasser auftaucht.

Geschafft!


Er winkt uns zu.

Wieder mal überlebt.

Diese Jungs haben Eier in der Hose!

Wow, was für ein Erlebnis!

Nachdem wir uns dann noch eine Erfrischung in einer Bar gegönnt hatten ging es wieder mit dem Bus zurück ins Hotel.

Bus fahren in Mexiko - das hat was!

Hier in Acapulco hat Bus fahren noch einen ganz besonderen Touch: Man hat das Gefühl, der Bus gehört dem Fahrer.

Und der liebt sein Vehikel.

Das macht sich dadurch bemerkbar, dass diese Busse aufgemotzt sind was das Zeug hält:

Sonderlackierung, verchromte Auspuffrohre am Heck, die vom Motor aus senkrecht bis über‘s Dach reichen und so ganz und gar nicht TÜV-gerecht sind. Anstatt den Lärm zu dämpfen scheinen sie diesen zu verstärken und wenn der Fahrer kräftig auf‘s Gaspedal drückt, bläst er eine schwarze Rauchwolke in die Luft, die den nachkommenden Verkehr für ein paar Sekunden in den Blindflug schickt.

Dieser Bus fährt zwar nicht in Acapulco, aber sieht den dortigen sehr ähnlich...


Und Gas geben, das tun die Fahrer!

Es scheint für sie ums Überleben zu gehen, als könnte ihnen an der nächsten Haltestelle ein anderer Bus die Fahrgäste wegschnappen.

Wir kamen unversehrt in unserem Hotel an und begannen, nach einer erfrischenden Dusche, unseren weiteren Weg zu planen.

Die Stadt hatten wir ja nun live erlebt. Mit Verkehr und drum und dran.

Sollten wir am nächsten Tag einen Umweg in Kauf nehmen um den Moloch zu umfahren oder „Augen zu und durch!“?

Was soll schon sein? Chaotischen Stadtverkehr waren wir mittlerweile gewohnt, also wozu einen Umweg fahren!?!

Nach einem (mal wieder) herzlichen Abschied von den Hotelbesitzern machten wir uns am kommenden Morgen direkt nach dem Frühstück auf die Moppeds und auf den Weg in Richtung unseres als nächstes angepeilten Ziels.

Zugegeben, etwas Aufregung war schon zu bemerken, angesichts der Tatsache, dass wir durch die Stadt mussten mit z.T. vierspurigen Strassen, die von den Verkehrsteilnehmern durchaus auch mal gerne achtspurig verwendet werden.

Im Gewühl angekommen mussten wir feststellen, dass wir uns doch schon recht abgebrüht an den Verkehr angepasst hatten.

Obwohl wir nie etwas zu befürchten gehabt haben, war es während der gesamten Reise immer ein beklemmendes Gefühl, wenn im Rückspiegel ein Polizeiauto auftauchte.

„Jetzt halten sie uns bestimmt an und sie werden irgendwas finden um uns eine Strafe aufzubrummen“ war da immer der erste Gedanke.

Doch egal wie oft mir das passierte, jedesmal wurde ich eines Besseren belehrt. Entweder die Polizisten hatten sich überhaupt nicht für uns interessiert oder aber sie winkten uns freudig zu.

Wir hatten im Vorfeld unserer Grenzüberschreitung von den USA nach Mexiko schon die schlimmsten Abzock-horrorstorys gehört. Von US-Amerikanern, verständlicherweise.

„Wenn Du mit US-Kennzeichen in Mexiko unterwegs bist, bist Du Freiwild für die Polizei“ usw. .

Wir hatten schon in Deutschland hieran gedacht und unsere Alukoffer mit „ALEMANIA“ Aufklebern versehen und kleine Deutschlandfähnchen, so wie sie oft bei der Fussball WM zu sehen sind, wehten im Wind.

Und wir hatten deutsche Kennzeichen.

Also nochmal: Die Polizei war bisher immer „Freund und Helfer“.

Bisher.

Bis ‚HIER‘her!

Wir machten uns nichts draus, als im Gewimmel neben uns eine Polizeisirene ertönte. Können ja überholen und wie gewohnt winken.

Doch diese Polizisten machten mir unmissverständlich klar, wir sollten rechts ran fahren.

„Die wollen bestimmt mal wieder nur plaudern“ dachte ich und hielt in der Nähe einer Art Bus/Taxi-terminals an.

Conny dachte wohl dasselbe wie ich, blieb relaxed auf dem Motorrad sitzen und nahm nicht mal ihren Helm ab. Nach ein wenig Smalltalk würde es bestimmt gleich weitergehen.

Sie hatte das Gespräch nicht mitbekommen, das sich zwischen mir und den zwei Polizisten entspann.

Die beiden sprachen nur Spanisch. Nichts zu bemängeln, schließlich waren wir in Mexiko.

„Wo kommt Ihr her, wo wollt Ihr hin?“ waren wir ja gewohnt, gefragt zu werden. Ich antwortete brav und ehrlich und freute mich schon auf die (freudige) Reaktion der beiden.

Doch die blieb aus.

Stattdessen verlangten sie meinen Führerschein.

Sicherheitshalber hatten wir schon in Deutschland alle wichtigen Dokumente wie Reisepass, Personalausweis und Führerschein mehrfach kopiert und laminiert, so dass sie fast echt wirkten, um bei einem eventuellen Überfall nicht die Originale zu verlieren.

Ich gab dem Polizisten die täuschend echt aussehende Kopie meines Führerscheins und fragte, mittlerweile doch etwas besorgt, warum sie uns denn angehalten hätten.

„Ihr habt dort hinten unerlaubt mehrmals die Spur gewechselt“ sagte einer der beiden mit einer ausladenden Geste und so laut, dass alle Umstehenden es hören konnten.

„Das haben wir nicht,“ war meine Antwort, „wir sind lediglich einem Bus ausgewichen. Außerdem macht das jeder hier, warum zieht Ihr ausgerechnet uns raus?“

Kurzes Grübeln auf der anderen Seite.

„Ihr habt eine rote Ampel missachtet“…

„???“

Ich war kurz ziemlich sprachlos ob der Dreistigkeit.

Dies bemerkte ein Taxifahrer, der amüsiert an seinem Taxi lehnte und die Szene verfolgte. Auf Englisch meinte er zu mir: „Die möchten Euch einen Strafzettel ausstellen.“

Ich fragte ihn, nun doch schon etwas angefressen, wie viel ich denn in etwa zu bezahlen hätte.

„Ich denke so etwa 500 Pesos. Wenn ihr gleich hier bezahlt ist es billiger als wenn sie Euch mit auf‘s Revier nehmen.“

Als er meinen erstaunten Blick bemerkte, sagte er lachend: „Welcome to Mexiko!“

500 mexikanische Pesos sind etwa 20 Euro.

Wir hätten es uns einfach machen können: bezahlen und weiterfahren.

Nicht mit mir, dachte ich und fing an mit den Popos zu diskutieren (der Ausdruck „Popos“ ist eine Art Kosename und bedeutet nicht das wonach es sich auf deutsch anhört…).

Conny hatte sich mittlerweile auch dazugesellt.

Einer der Polizisten fragte mich noch einmal, laut, so dass alle es hören konnten, wohin wir wollten.

„Raus aus Acapulco in Richtung Puerto Escondido“ war unsere Antwort.

„Habt ihr eine Landkarte dabei?“ fragte der Polizist.

„Ähem, ja, natürlich. Weshalb?“

„Bringt sie her, wir zeigen Euch den Weg.“

Ich holte unsere Zentralamerikakarte aus einem der Alukoffer und gab sie dem Beamten (an dessen Echtheit wir mittlerweile so unsere Zweifel hatten, war doch deren Wagen eher ein Wrack auf dem beim Schriftzug „POLICIA“ das P fehlte).

Er breitete die Karte auf der Motorhaube des (vermeintlichen) Polizeiwagens aus.

Theatralisch, als wolle er allen Umstehenden (und das waren mittlerweile einige) zeigen: „Die Polizei. Dein Freund und Helfer.“

„Also“ sagte er, während wir alle auf die Karte schauten, auf der Acapulco etwa so groß wie ein Stecknadelkopf abgebildet ist,

„Ihr müsst jetzt in diese Richtung und dann da lang und dann….“

Wie lächerlich war das denn bitteschön!!!

Diesen Gedanken konnte mir der Beamte wohl von der Stirn ablesen.

Auch die Umstehenden Leute dachten wohl dasselbe.

„Ihr folgt uns, wir zeigen Euch den Weg!“ sagte einer der beiden.

„Ihr habt noch meinen Führerschein“ erwähnte ich. Ich dachte, sie hätten das vergessen.

„Den bekommst Du nachher wieder.“

Ok, dachte ich, dann können wir ja einfach irgendwo abbiegen und abhauen. Ist ja schließlich nur eine Kopie.

Aber dann sind wir gesuchte „Kriminelle“, also folgten wir der schäbigen Polizeikiste durch die Stadt.

An einer Ampel mussten wir anhalten. Hinter uns ein nagelneues Auto der Bundespolizei.

Eben als wir darüber nachdachten, uns bei denen über die anderen Polizisten zu beschweren, zogen sie an uns vorbei und hielten neben dem Auto der Popos, denen wir zu folgen hatten.

Fenster wurden heruntergekurbelt und die Insassen beider Polizeiautos unterhielten sich miteinander.

Wie Kumpels.

Da war für uns keine Hilfe zu erwarten.

Die Ampel schaltete um auf grün und es ging weiter.

Viele Gedanken gehen einem dabei durch den Kopf.

Die Strasse führt an den Stadtrand, an eine Hauptstraße, die am Meer entlang führt.

Eine alte Frau sitzt einsam an einer Bushaltestelle.

Ein paar Meter nach der Bushaltestelle hält das Polizeiauto am Straßenrand an, die beiden Popos steigen aus und kommen auf uns zu. (Hatte ich erwähnt, dass die beiden extrem schlampig gekleidet waren?)

Einer der beiden forderte mich erneut auf, die Karte herauszuholen, damit er uns den weiteren Weg zeigen könne.

Was für eine Lachnummer!

Die alte Frau ruft wütend zu uns rüber: „Gebt denen bloß kein Geld, diesen Dieben!“ So haben wir das für uns jedenfalls übersetzt.

Wieder einmal zeigte uns der Polizist, mit dem fettigen Finger ganz Acapulco auf der Karte verdeckend, den Weg…

Daraufhin stiegen beide wieder ins Auto.

Etwas verdutzt faltete ich die Karte zusammen, verstaute sie, setzte meinen Helm auf und wollte gerade aufsitzen als das Beifahrerfenster des Polizeiwagens herunter ging und eine Hand zum Vorschein kam, die eine eindeutige Geste machte: Geld, Pesos, Moneten!

Ok, dachte ich, sollt ihr bekommen, immerhin habt ihr uns „Geleitschutz“ durch die Stadt gegeben.

Ich holte 50 Pesos (ca. 2 Euro) aus der Tasche, ging vor zu der ausgestreckten Hand und drückte den Schein in dieselbe.

Die Hand verschwand, das Fenster ging hoch und das Polizeiauto fuhr los.

Ich dachte ja, die würden bestimmt das Geld zählen, sofort anhalten, den Ruckwärtsgang einlegen und uns verhaften.

Aber nein, sie verschwanden einfach.

Wow, nochmal glimpflich davongekommen!

Endlich konnte die Fahrt weiter gehen.

Zwar hatten wir die Stadt noch nicht ganz hinter uns, wenn wir aber immer am Meer entlang fahren würden könnten wir uns kaum verfahren (notfalls hätten wir ja noch die Karte).

In einem Randbezirk der Stadt kamen wir an einen mehrspurigen Kreisverkehr.

Mit Ampeln. Im Kreisverkehr.

Und Wegweisern. Im Kreisverkehr.

Hier waren wir kurz unsicher, ob wir nun die erste oder die dritte Ausfahrt nehmen sollten.

Zum Glück war eine der Ampeln rot und wir hatten kurz Zeit um uns zu beratschlagen.

Ok, wir beschlossen, dass wir die erste zu nehmen hatten.

Allerdings waren wir an der schon vorbei. Macht nichts, wozu sind denn Kreisverkehre da?!?

Einmal im Ring herum, die erste Ausfahrt raus und weiter ging‘s.

Fünf Minuten.

Die Strasse war in etwa wie eine Bundesstraße in Deutschland mit Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen.

Gleich hätten wir die Stadt hinter uns und könnten wieder die Ruhe und die Natur um uns herum genießen.

Polizeisirenen ließen diese Seifenblase urplötzlich zerplatzen.

Wir staunten nicht schlecht, als uns genau das schicke Polizeiauto, das in der Stadt hinter uns war, überholte und uns zum rechts ran fahren aufforderte.

Wir hielten an und bevor die Beamten aus dem Auto ausstiegen sagte ich zu Conny: „Wir sprechen KEIN Spanisch!“ vielleicht würden sie uns dann eher ziehen lassen.

„Do you speak English?“ war die erste Frage die uns gestellt wurde.

Shit!

Die zwei Beamten waren das krasse Gegenteil zu denen, die uns zuerst angehalten hatten: angefangen bei den nagelneuen Polizeihüten (oder sagt man dazu Mützen?), strahlend weiße, gestärkte Hemden, schwarze Hosen mit Bügelfalte und zu guter letzt Lackschuhe in denen sich die Sonne spiegelte dass man kaum hinschauen konnte.

In Polizeimanier bauten sich die beiden vor uns auf. Mit ihrem Englisch hatten sie uns überrascht, also nix mit doof stellen.

Was der Grund sei, weshalb sie uns anhalten würden, fragten wir. Schließlich wären wir erst vor 20 Minuten von Kollegen angehalten worden und hätten bei denen schon Strafe bezahlt.

„Ihr habt euch im Kreisverkehr falsch verhalten. Ihr seid zwei mal im Ring herum gefahren.“

„Was, wie bitte? Was ist daran denn bitteschön falsch? Hierfür sind Kreisverkehre doch da!“ war unsere Antwort.

Kurzes Grübeln gegenüber.

„Ihr habt eine rote Ampel missachtet!“

AAAAHA!, daher weht also der Wind! Den Spruch kannten wir doch schon von irgendwo her!

Nun entspann sich eine sinn-und endlose Diskussion, die ich hier nicht detailliert schreiben möchte.

Während unserer gesamten Reise hatten wir viel Armut erlebt und hätten oft gerne geholfen.

Diese zwei korrupten Vollpfosten hatten die Stirn von uns weit über 6000 Pesos zu verlangen für etwas dessen wir uns nicht schuldig gemacht hatten.

Um eines hier klar zu stellen: Das Missachten einer roten Ampel kostet in Mexiko (oder in diesem Bundesstaat von Mexiko) tatsächlich über 6000 Pesos. Das weiß ich daher, weil Schilder an manchen Ampeln darauf hinweisen.

Die Diskussion ging hin und her und Conny wurde über die Dreistigkeit der Polizisten immer wütender.

So wütend, dass sie sich schließlich weinend abwendete und zu ihrem Motorrad ging.

Ich schaute einem der beiden Popos tief in die Augen und sagte zu ihm: „Siehst Du, was Du gemacht hast!?“ woraufhin die beiden sich anschauten und begannen, sich leise auf Spanisch zu unterhalten.

Ich vermutete das Schlimmste.

Da kam einer der beiden auf mich zu und sagte: „Steigt auf und fahrt weiter!“

Ich war so aufgebracht, dass ich nicht wahrhaben wollte was er meinte und schrie ihn schon fast an: „Was weiter? Wohin? Auf's Revier oder was?!?!?“

„Nein,“ antwortete er nur kurz „ihr könnt weiterfahren.“

„Was jetzt, und was ist mit der Strafe?“ fragte ich, immer noch auf 180.

„Keine Strafe, ihr könnt weiter fahren.“ sagte er.

Langsam wurde mir bewusst, dass wir uns mal wieder glücklich aus der Schlinge gezogen hatten. Doch wie weit würden wir kommen bis uns die nächsten Popos anhalten?

Nicht mit mir! Nicht noch einmal!

Ich ging auf den Beamten zu, streckte ihm meine Hand entgegen als wolle ich mich bei ihm für seine „Großzügigkeit“ bedanken.

Er nahm meine Hand und schüttelte sie.

Ich sagte zu ihm (händchenhaltend): „Wenn ihr das ernst meint bist du jetzt mein bester Freund!“

Als er seine Hand daraufhin zurückziehen wollte hielt ich diese fest, schaute ihn an und sagte: „Einen Gefallen müsst ihr uns aber noch tun - geht in euer Auto, nehmt euer Funkgerät und sagt all euren Kollegen, dass sie uns gefälligst nicht mehr anhalten sollen.“

Nun war es an ihm über so viel Dreistigkeit meinerseits kurz sprachlos zu sein.

Ich drehte mich um, ging zu Conny, die immer noch vor Wut zitterte und den Rest des Gesprächs nicht mitbekommen hatte und sagte nur: „Steig auf, es geht weiter!“

„Wie, es geht weiter? Müssen wir jetzt doch noch auf's Revier?“ fragte sie mit bebender Stimme, den Blick auf die Beamten gerichtet, die bereits wieder in ihr Hochglanzauto stiegen.

„Nein,“ versuchte ich sie zu beruhigen „die lassen uns ziehen.“

Also stiegen wir auf und fuhren los.

Mit einem Scheißgefühl im Magen, wie Ihr Euch sicher denken könnt.

Nach kurzer Zeit, ich fuhr voraus, kamen wir an einer Art Aussichtspunkt vorbei. Langgezogene Linkskurve, rechts ein großer Parkplatz mit Restaurant, das Ganze auf einer Anhöhe von etwa 100 m.

Auf dem Parkplatz: Ca. 30 Polizeimotorräder und -autos, der komplette Parkplatz übersät mit Beamten.

Mein erster Impuls war: Oh shit, nicht schon wieder!

Doch dann übernahm die Neugier die Kontrolle über mich: Hatten die beiden Polizisten den Funkspruch durchgegeben oder nicht? Ich wollte es wissen!

Im Vorbeifahren winkte ich dem Pulk von Polizisten zu.

Im Rückspiegel sah ich Conny immer kleiner werden. Sie wusste nichts von dem Deal zwischen mir und den korrupten Popos…

Immer noch innerlich erregt, aber irgendwie auch zufrieden setzten wir unsere Fahrt fort.

Diese ganze Geschichte hat Zeit gekostet.

Nicht nur für Euch heute zum Lesen, sondern auch für uns an jenem Tag, schließlich wollten wir ja unser nächstes Ziel erreichen.

Ob uns das gelungen ist und wo wir als nächstes Halt gemacht und weitere spannende Erlebnisse hatten erfahrt Ihr dann im nächsten Artikel.

Ich sage schon mal vorab: „Blaues Spängchen“… 

Und tschüss, bis bald!!!




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Gut oder geht so?!?

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