34. Dehydriert im Dschungel

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Ab an den Lago


Irgendwie war es ein komisches Gefühl, fast schon wie schlechtes Gewissen, mit unserem Viererle so durch die Gegend zu fahren, während die Ente und die Dolores wie zwei Waisen auf ihre neuen ‚Eltern‘ warteten.

Viererle: Wie schon erwähnt musste, bevor wir unsere Reise in Richtung Guatemala fortsetzen konnten, das eine oder andere repariert werden.

Also machen wir nochmal einen kleinen Zeitsprung zurück, und zwar in die Zeit, als wir in Placencia waren und die paar Tage als wir in San Ignacio im Hotel wohnten.

Per 'Zappelkistchen' stets in Kontakt mit Thorsten, die Wartezeit auf die Ersatzteile geniessen

Während unseres Aufenthaltes in Placencia wartete unser Mechaniker Thorsten auf die notwendigen Ersatzteile, die er bestellt hatte.

Irgendwas mit den Ventilen, an Details erinnere ich mich nicht mehr.

Für das Fahrerfenster waren die notwendigen Ersatzteile nicht erhältlich.

Doof, war aber nunmal so!

Als Thorsten uns Bescheid gab, dass er alle notwendigen Teile bekommen hätte, brachten wir ihm unser Viererle vorbei und ich schaute ihm über die Schulter während Conny sich gegenüber im McWolf‘s aufhielt.

Die Reparatur bzw. der Austausch der Teile, dauerte nicht allzu lange, irgendwann wischte sich Thorsten die ölverschmierten Hände an einem Lappen ab, klappte die Motorhaube zu und meinte: „So, das war‘s.“

„Und Du denkst, so kommen wir runter bis Panama?“ war meine Sorge.

„Keine Frage!“ versicherte er mir mit bestimmter Miene.

Wir verabschiedeten uns voneinander. Wir würden in Kontakt bleiben.

Was für ein Glück wir doch mit Thorsten hatten. Direkt vor der Haustür einen deutschen Automechaniker genau in dem Moment zur Verfügung zu haben, in dem wir ihn am meisten benötigen.

Der Kofferraum unseres Viererles war mit all den Alukoffern und den Gepäckrollen gut gefüllt, da hätte nichts mehr reingepasst.

Es war Zeit für neue Abenteuer.

Guatemala wartete auf uns.

Ok, wir waren ja schon mal dort, auch wenn es nur für ein halbes Stündchen war.

An der Grenze angekommen mussten wir mal wieder für die Stempel in den Pässen anstehen.

Dreimal dürft Ihr raten welche Grenzbeamtin Dienst hatte.

Genau!

Und sie musste uns sofort wiedererkannt haben, das sah man ihren Blicken an.

Doch entgegen unserer Befürchtung sprach sie uns überhaupt nicht auf unsere ‚Ehekrise‘ an.

Mit einem netten Lächeln stempelte sie unsere Pässe und wir zogen von dannen.

Kurz vor dem guatemaltekischen Grenzposten mussten wir mit unserem Viererle durch eine Art Chemodusche - ein Rohrgestell mit Spritzdüsen aus denen Desinfektionsmittel versprüht wurde, fahren.

Ich hatte das Gefühl, dass dieses Mittel auf halbem Weg zu seinem Bestimmungsort verdunstet sein musste, denn nachdem wir vor dem Gebäude geparkt hatten, in dem dieselbe Grenzbeamtin wie vor ein paar Wochen unsere Pässe abstempeln sollte, war unser Auto nicht einmal feucht, nur eben - staubig.

Wie lange wir denn diesmal bleiben wollten, fragte die strenge Dame etwas schnippisch.

90 Tage galt der Stempel, den sie uns dann in die Pässe knallte.

Für unser Auto brauchten wir auch eine Art Visum, welches als Aufkleber auf der Innenseite der Windschutzscheibe angebracht wurde.

Ein Kinderspiel, das Ganze.

Guatemala wir kommen!

Den Mopan River überquert und Melchor de Mencos auf der CA13 hinter uns lassend waren wir gespannt, was uns als nächstes erwarten würde.

Nur etwa 110km westlich vom Grenzübergang führte uns die (bis auf eine Ausnahme) sehr gut ausgebaute CA13 durch wunderschöne Landschaften an den Lago Petén Itzá, in die Stadt Flores.

Das war der schlechtere Teil der Strecke 

Der Lago Petén Itzá ist mit seinen gut 30km Länge und etwa 5km Breite der drittgrößte See Guatemalas.

Von der Stadt aus führt eine Strasse über eine Art Damm auf die kleine ‚Isla Flores‘.

Dort wollten wir vorerst bleiben.

Auf dem kleinen Inselchen ist jeder Quadratmeter bebaut, eine Strasse führt einmal ringsherum.

Zwischen den Häusern ein paar wenige befahrbare Strassen, ansonsten schmale, fast schon romantische Gässchen.

Wir kamen uns fast vor wie in Italien.

Ein Hotel im Nordwesten der Insel, direkt an der Ringstraße, sagte uns zu und wir checkten ein.

Obwohl das Hotel nur zwei Sterne zu bieten hatte war das Zimmer sehr angenehm. Mit einem kleinen Balkon von dem aus man einen atemberaubenden Blick auf den Sonnenuntergang über dem See genießen konnte.

Und man konnte auch gut Leute gucken.

Unser Auto durften wir zudem direkt neben dem Hotel in einer Seitenstraße parken. Was will man mehr!?!

Selbst unser Viererle hatte nun Seeblick.

Uns war es nach einem kühlen Bierchen zumute, also machten wir uns zu Fuß auf um die Insel ein wenig zu erkunden.

Eine kleine Bar in einer Art Laube schien passend.

Wir bestellten uns jeder ein Bier. Ein ‚Gallo‘, das bekannteste Bier in Guatemala.

Gallo, das wisst Ihr sicher, heißt zu deutsch ‚Hahn‘ oder wem‘s besser gefällt ‚Gockel‘.

Wie wir so dasaßen und das Bierchen genossen raschelte es im Gebüsch.

Was kommt hervor?

Ein Hahn.

Unerschrocken pickte er um uns herum.

Na wenn das kein Zeichen war!

Die drei großen 'T': Tikal, Tempolimit und - Technik


Eine der berühmtesten Stätten der Mayakultur liegt ganz in der Nähe des Lago Petén Itzá: Tikal.

Obwohl unser eigentliches Ziel war ein neues Zuhause zu finden, wollten wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, diese zum Weltkulturerbe gehörende Stätte zu besuchen.

Am nächsten Tag also starteten wir zunächst in östlicher Richtung und dann am Ende des Lago Petén Itzá nach Norden ins gut 60km entfernte Tikal.

17 Kilometer vor der eigentlichen historischen Stätte muss man den Eintritt entrichten.

Das Ticket, das man erhält hat unter Anderem die exakte Uhrzeit aufgedruckt.

Nichts Außergewöhnliches.

Um die Tierwelt auf der Strecke bis nach Tikal zu schützen, gilt auf den 17 Kilometern eine strikte Geschwindigkeitsbegrenzung von 45 Km/h.

Die Strasse führt durch dichten Dschungel.

Geschwindigkeitsmessungen auf der Strecke gibt es nicht.

Wir wurden jedoch gewarnt: Am Ende dieser Strecke wird das Eintrittsticket kontrolliert und dabei die benötigte Zeit erfasst.

Hieraus berechnen sie die gefahrene Geschwindigkeit und ist man zu schnell unterwegs gewesen heißt das: ‚Multa!‘ - Strafe bezahlen.

Wir waren nahezu das einzige Fahrzeug auf der gut ausgebauten Strecke. Da fällt es schwer, nicht schneller als 45 Km/h zu fahren.

Das Gute an unserem Viererle hierbei war der Tempomat.

So kamen wir ohne Geschwindigkeitsüberschreitung ans Ziel.

Obwohl es Sonntag war, das Wetter zeigte sich von seiner (für uns als hitzeliebende Menschen zumindest) besten Seite, war dennoch sehr wenig los.

Der riesige Parkplatz ließ jedoch erahnen, was hier an manchen Tagen für ein Andrang herrschen musste.

Tikal.

Eine geschichtsträchtige Stadt der antiken Mayakultur im guatemaltekischen Dschungel.

Mit Geschichte möchte ich Euch hier nicht langweilen, auf einen kleinen Exkurs nehme ich Euch aber mit. (Zufällig hat gerade jetzt, als ich diesen Bericht tippe, das ZDF einen Dreiteiler ausgestrahlt, in dem u.A. auch ausführlich die Geschichte von Tikal beschrieben wird: 'Die Machtzentren der Maya'. Durchaus empfehlenswerte Sendung!).

Steine.

So weit das Auge reicht.

An vielen Stellen sogar so hoch das Auge reicht: Der höchste Tempel, der ‚Tempel des Großen Jaguars‘ misst stattliche 47 Meter Höhe.

Dieser kann über eine sehr steile Holztreppe bestiegen werden.

Das ließen wir uns natürlich nicht nehmen!

Wieder einmal überraschte mich Conny mit ihrem Mut, trotz Höhenangst hier hinauf zu steigen.

Ist nicht jedermanns Sache

Manch andere Personen hatten Schwierigkeiten vor allem beim Abstieg über die schmale Treppe, sieht man doch die ganze Höhe direkt vor sich, während man beim Aufstieg nur die Wand des Tempels vor Augen hat.

Auch Leute ohne Höhenangst hatten so ihre Probleme beim Abstieg: Die Treppe ist durch ein Geländer in der Mitte in zwei ‚Bahnen‘ geteilt.

Schilder am Beginn der Treppe weisen darauf hin, dass die rechte Seite nur für den Aufstieg und die linke Seite nur für den Abstieg zu benutzen ist.

Offenbar gibt es Menschen, die entweder nicht lesen können oder weder der spanischen noch der englischen Sprache mächtig sind.

Manche kapieren's einfach nicht...

Oder ganz einfach doof und egoistisch.

Jede der insgesamt 100 Stufen war jedenfalls den Aufwand wert.

Auf 35 Metern Höhe befindet sich eine Art Plattform, von der aus man einen atemberaubenden Ausblick auf den ‚Großen Platz‘ und den gegenüberliegenden ‚Tempel l‘ genießen kann.

Im Zentrum des großen Platzes befindet sich eine Feuerstelle mit etwa drei Metern Durchmesser. Nichts besonders Erwähnenswertes neben all den antiken Gebäuden.

Mal wieder eins der wenigen Bilder, auf denen wir gemeinsam zu sehen sind

Wir hatten den Ausblick lange genug genossen und machten uns an den Abstieg.

Zwischenzeitlich hatte sich eine Gruppe Menschen um die Feuerstelle versammelt, ein Feuer brannte.

Ein Typ mimte einen Schamanen (so zumindest meine Interpretation des Ganzen), führte irgendwelche Rauchrituale durch, die Gruppe um ihn herum stand andächtig, fast schon betend um ihn herum und verfolgte das Ritual.

Die ganze Szenerie wirkte äußerst seltsam auf mich.

War das denn nun eine Vorführung dessen, was man denkt was damals so stattgefunden haben soll?

Oder waren das Leute, die einer Art Religion frönten?

Letzteres schien mir eher der Fall gewesen zu sein.

Na ja, jedem das Seine.

Tikal ist riesig und verständlicherweise konnten wir uns nicht alles anschauen, aber was wir zu sehen bekommen haben hat uns schon sehr beeindruckt.

Nicht nur alte Tempel und Gebäude, sondern auch exotische Gewächse und Tiere wie z.B. Nasenbären.

 Und Äffchen.

Und Spinnen.

Nach ein paar Stunden voller Geschichte und bestimmt einigen zu Fuß zurückgelegten Kilometern kamen wir wieder am Parkplatz an.

Unser Viererle war noch da.

Jetzt hieß es wieder sich in Geduld zu üben, denn auch auf der Rückfahrt würde die benötigte Zeit für die 17 Kilometer von hier bis zum Ticketschalter gemessen werden.

Also schaltete ich, kurz nachdem wir losgefahren waren, den Tempomat wieder ein.

45 Km/h.

Ist das nicht zu langsam für den Tempomat?

Auf der Herfahrt ging es ständig leicht bergab, dementsprechend ging es jetzt bergauf.

Ich hatte das Gefühl, der Tempomat würde nicht richtig funktionieren und schaltete ihn wieder aus.

Ich gab Gas, genau so viel wie eben nötig war um die 45 Km/h einzuhalten.

Es ging, wie gesagt, bergauf.

Da ist ein wenig mehr Gas schon erforderlich.

Als ich dann aber das Pedal schon fast dreiviertel durchgedrückt hatte und das Auto trotzdem langsamer wurde war klar: hier stimmt was nicht!

Und das sollte sich dann sehr schnell auch noch deutlicher zeigen!

Immer noch versuchte ich mehr Gas zu geben, ohne dass der Wagen beschleunigte, als plötzlich ein Klappern vom Motor zu hören war.

Unverzüglich hielt ich den Wagen an.

Der Motor ging aus.

Wir waren irgendwo im Dschungel, zwar auf einer gut geteerten Strasse, aber alleine.

Nur wir Zwei und ein kaputtes Auto.

Ich öffnete die Motorhaube und ein Schwall von Hitze und unangenehmem Geruch schlug mir ins Gesicht.

Der Motor konnte doch kaum überhitzt gewesen sein, das hätte ich doch längst an der Temperaturanzeige gesehen haben müssen (und diese habe ich ständig im Auge!).

Ich musste mich hier aber leider eines Besseren belehren lassen - der Motor war hoffnungslos überhitzt, so stark, dass er eben keine Leistung mehr brachte und den Dienst verweigerte.

Den Kühlerdeckel zu öffnen, daran war jetzt absolut nicht zu denken, das wäre jetzt reine Selbstverstümmelung gewesen.

Ich war geschockt und verzweifelt zugleich.

Hatten wir den Wagen doch erst gründlich checken und warten lassen.

Ich lief ums Auto herum wie jemand, der sich in der Wüste verirrt hat und nun im Kreis läuft.

„Wir haben nicht mal ein Warndreieck!“ sagte ich zu Conny, die doch wesentlich ruhiger geblieben war als ich.

„???“ schaute sie mich fragend an.

Sie hatte Recht! Wozu bräuchten wir hier wohl ein Warndreieck.

Vielleicht um die riesige Sattelzugmaschine zu warnen, die just in dem Moment von hinten auf der Bildfläche erschien!

Doch zum Glück waren wir für den Fahrer gut sichtbar.

Er hielt an.

Ein junges Paar sprang aus dem Truck und fragte ob wir Hilfe bräuchten.

„Wir brauchen Wasser!“ war die Aussage des jungen Mannes, nachdem er sich die Lage mit fachmännischem Blick betrachtet hatte.

Wir hatten noch eine Gallone Trinkwasser im Kofferraum, ein Umstand, den wir Conny‘s ständigem Bedürfnis nach Wasser zu verdanken hatten.

„Wir müssen aber den Motor erst abkühlen lassen,“ warf ich ein, „damit sich der Zylinderkopf nicht verzieht und dabei die Dichtung kaputt geht!“

Wenn sie denn nicht schon über den Jordan gegangen war!

Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm der junge Fahrer des Trucks einen ledernen Arbeitshandschuh und einen dicken Lappen und öffnete vorsichtig den Deckel vom Kühler.

Wie ein wütender Drache spuckte unser Viererle Dampf aus.

Wir alle sprangen zur Seite.

Zu allem Überfluss, dachte ich zumindest, kam auch noch ein PickUp der Polizei angefahren und hielt an.

Das hatte uns gerade noch gefehlt!

Zwei Beamte stiegen aus.

Sie fragten wem das Auto gehört.

Erstaunlicherweise wollten sie keinerlei Papiere sehen.

Stattdessen unterhielten sie sich mit dem Fahrer des Trucks, der es sich nicht hatte nehmen lassen für uns den Kühler mit frischem Wasser zu befüllen, geradeso als wolle er nicht, dass wir uns die Hände schmutzig machen.

Na hoffentlich sind die Polizisten hier nicht so korrupt wie die in Acapulco!

Unser Spanisch hatte sich in der Zeit in Mexiko sehr verbessert gehabt und wir dachten wir wären für die anderen spanischsprachigen Länder ausreichend gerüstet.

Doch weit gefehlt!

Das was die Jungs hier untereinander sprachen klang deutlich anders als das was wir gewohnt waren.

Also eigentlich hatten wir nichts verstanden, nicht zuletzt weil die Polizisten und das Pärchen sehr schnell miteinander sprachen.

Die beiden Beamten gingen wieder zu ihrem Auto, stiegen ein und - fuhren weg!

War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Waren wir sie los oder würden sie wiederkommen und uns ein Ticket ausstellen?

Sie kamen wieder!

Uns blieb der Mund offen stehen, als wir sahen, warum die Beiden weggefahren waren:

Um mit einem Eimer voll Wasser wieder zu kommen!

Die Polizei, Dein Freund und Helfer.

Wortwörtlich!

Ganz anders als erwartet, brachten die zwei Polizisten einen Eimer Wasser

Der Kühler war wieder voll.

Ich versuchte den Motor zu starten.

Er lief an.

Offensichtlich alles ganz normal.

Ein geplatzter Schlauch oder einfach nur ein Leck wäre doch sicher zu erkennen gewesen, aber keiner von uns konnte irgendwas dergleichen entdecken.

Doch irgendetwas konnte nicht in Ordnung gewesen sein, also beschlossen wir, nicht einfach so weiter zu fahren, sondern uns in eine Werkstatt schleppen zu lassen.

Das Pärchen bot mir an, mich zur nächsten Werkstatt mitzunehmen.

Conny würde vor Ort bei unserem Viererle bleiben.

Gesagt, getan!

Ich sprang in die Fahrerkabine des Trucks und für das erste Mal seit langem waren wir mal wieder voneinander getrennt (Ihr erinnert Euch noch an meine Solofahrt von San Diego nach Long Beach und zurück?).

Die Fahrt schien ewig zu dauern.

In El Caoba, einem kleinen Dorf nahe des Lago Petén Itzá machten wir Halt.

Der Fahrer des Trucks brachte mich zu einem Gebäude, das wohl eine Werkstatt war, für mich als solche allerdings nicht wirklich erkennbar.

Ich vertraute dem netten Herrn.

Er und seine Partnerin mussten weiter.

Wir verabschiedeten uns und ich bedankte mich bei ihnen für die Hilfe.

Da fuhren sie nun weg, ich war hier, Conny viele Kilometer entfernt und keiner wusste vom anderen den Stand der Dinge.

Ja, wir hatten Handys.

Siemens Vorkriegsmodell.

Mit mexikanischen SIM-Karten.

Die abgelaufen waren und hier vermutlich eh nicht funktioniert hätten.

In der Werkstatt traf ich auf die Frau des Inhabers und ein paar Kinder.

Kein Mechaniker weit und breit.

Der Fahrer des Trucks hatte ihr unsere Situation geschildert.

Sie meinte, ihr Mann würde bald hier sein.

Also genehmigte ich mir eine Cola, was könnte ich sonst tun?

Wir mussten nicht lange warten bis der ‚Jefe‘ eintraf.

Mit einem doch schon sehr in die Jahre gekommenen PickUp Truck.

Seine Frau schilderte ihm unser Problem.

„Ok,“ meinte er, „spring rein, wir fahren los!“

Aus seiner Werkstatt holte er noch eine rostige aber schwere Stahlgliederkette und warf diese auf die Ladefläche seines Autos.

Szenenwechsel.

Hier möchte ich nun Conny zu Wort kommen lassen:

Nach etwa eineinhalb Stunden hielt ein völlig zerbeulter, runtergekommener Pick-up neben unserer Luxuskarosse, ein untersetzter, kleiner, gemütlicher Mann stieg aus und kam auf mich zu.

Mühsam konnten wir uns soweit verständigen, dass er für mich zuständig sei, allerdings bekam ich auf die Frage, wo denn eigentlich mein Mann sei die sinngemäße Antwort: „Na, das weiß ich doch nicht!“

Ich ging davon aus, dass er mich abschleppen würde, allerdings meinte er, ich soll langsam vor ihm herfahren, damit er sich unterwegs das Problem anschauen und herausfinden kann, was unserem Viererle fehlt (das musste mir allerdings echt ein anwesender Touriführer, der einigermaßen Englisch konnte, übersetzen!).

Also rein ins Auto, Temperatur war normal, alles hörte sich an wie immer und ich gab Gas.

Nachdem hinter mir sofort Lichthupe und heftiges Winken zu sehen war, war mir klar, ich war viel zu schnell und der Typ versteht wohl was von seinem Handwerk.

Also zwang ich mich zu maximal 30 km/h, ab und zu hielten wir an und er warf einen Blick in den Motorraum, in den er fast völlig hineinkletterte.

Irgendwann mussten wir wieder nachfüllen, die Gallone war aber fast leer, wir hielten mitten auf der Straße, kein Dorf weit und breit.

Er schnappte sich seine Wassergefäße und lief los.

Da sah ich einen Weiher, der zu einer Finca gehörte.

Ich kam mit meiner leeren Gallone hinter ihm her, er kletterte behende über den Zaun und füllte unsere Behälter wieder auf.

So konnten wir wieder ein Stück weiterfahren, bis ich wieder seine Lichthupe sah und anhielt.

"Da ist doch Dein Mann, er ist uns gerade entgegengekommen!"

Und tatsächlich, ein blauer PickUp drehte gerade um, vorne eingequetscht neben dem Fahrer und seiner Frau samt Baby auf dem Schoss saß Pepe und sah etwas unentspannt aus, was angesichts der Situation im Allgemeinen und seiner im Besonderen auch kein Wunder war. (…)

Der Job meines netten Mechanikers war an der Stelle wohl erledigt.

So, so viel aus Conny‘s Sicht, nun wieder zurück nach El Caoba, in den PickUp Truck ‚meines‘ Mechanikers.

Dieser Wagen war alt.

Einer mit Einzelkabine, das heißt keine Rücksitzbank.

Ich sass auf dem Beifahrersitz, der ‚Jefe‘ platzierte sich hinter dem Lenkrad.

Seine Frau öffnete die Beifahrertür, auf dem Arm ein Baby.

Bestimmt wollte sie ihm noch was sagen oder mitgeben, dachte ich.

Doch die dralle Dame nahm neben mir Platz, sodass für meinen kleinen Hintern nurmehr wenig vom Beifahrersitz übrig blieb.

Wir fuhren los.

Gut 20 km lagen vor uns.

Unterhalten konnten wir uns nur sehr wenig, offensichtlich wurde hier eine Art Dialekt gesprochen oder die Leute sind Ausländer nicht gewohnt, und geben sich deshalb eher wenig Mühe, besonders deutlich zu sprechen.

Eine insgesamt etwas seltsame Atmosphäre.

Ein halbes Stündchen kann da schon ziemlich lange erscheinen.

Und es sollte noch besser kommen: kurz nachdem wir losgefahren waren, verlangte das Baby wohl gefüttert zu werden.

Mit einem herzhaften Griff holte meine Beifahrerin ihre linke Brust aus der Bluse und begann ihr Baby zu stillen.

Ja, ich weiß, das ist nichts Ungewöhnliches.

DOCH! War es in dieser Situation sehr wohl! Für mich zumindest.

Wir fuhren also die Strasse entlang Richtung Tikal, ich suchte nach Punkten in der Landschaft, an die ich mich erinnerte um herauszufinden, wo in etwa wir uns befanden.

Der Ticketschalter, spätestens den würde ich wiedererkennen.

Doch was sehe ich stattdessen?

Meine Frau, einen fremden Mann und unser Viererle irgendwo ganz anders als ich sie zurückgelassen hatte.

Ich machte dem ‚Jefe‘ verständlich, dass das mein Auto war und dass er umdrehen soll.

Er und der andere Herr unterhielten sich kurz, worauf der andere Herr, von dem sich herausstellte, dass er auch Mechaniker war und vermutlich von den Polizeibeamten hergeschickt wurde, die Szenerie verließ.

Der ‚Jefe‘ nahm die Stahlkette, befestigte diese mit einem Knoten (!) an seinem Auto und mit einem Schäkel an unserem und so konnte die Abschleppfahrt beginnen.

Es war schon spät.

Zu spät um noch an diesem Abend nach dem Fehler zu suchen.

Wir sollten am nächsten Tag wieder kommen, da wäre dann auch ein weiterer Mechaniker vor Ort, der sich mit Motoren besser auskennen würde, sagte der ‚Jefe‘, nachdem er unser Viererle bei sich im Hinterhof abgestellt hatte.

Wie wir denn am besten zurück nach Flores kommen würden, fragten wir ihn.

Er bot sich an, uns ins Hotel zu fahren, was wir dankend annahmen.

Was für ein Tag!

Bei ein paar ‚Gallos‘ machten wir uns noch viele Gedanken, was denn mit unserem Auto los sein könne.

Half aber alles nichts, wir mussten einfach den nächsten Tag abwarten.

So fielen wir erschöpft ins Hotelbett.

Am Ende des Dammes, der die Insel mit dem Festland verbindet, auf dem Festland, befindet sich eine Einkaufsmall.

Modern, wie wir es schon ewig nicht mehr gesehen hatten.

Was für ein Genuss - es hätte sein können, wenn wir nicht einen Termin in der Werkstatt gehabt hätten.

Trotzdem nahmen wir uns die Zeit rein zu gehen.

In erster Linie um unsere Handys mit neuen SIM-Karten auszustatten, damit wir nicht wieder kommunikationslos dastehen würden in einem Fall wie am Vortag.

Die meisten der Läden hatten noch geschlossen, es war noch sehr früh morgens.

Ein kleiner Handystand auf einem der Gänge schien das zu sein, wonach wir suchten.

SIM-Karten als solche konnte uns die junge Verkäuferin nicht anbieten, da müssten wir schon ein Handy kaufen, da wäre dann eine dabei.

Da unsere Handys eh schon recht alt waren und es hier einige gute Angebote gab, kauften wir uns kurzerhand zwei Billiggeräte inklusive Prepaid-Karten.

Nun aber nichts wie zu unserem Auto.

Ihr kennt bestimmt diese alten 'Hiace' Busse von Toyota, die für acht Personen.

Solche Busse werden hier als öffentliche Verkehrsmittel eingesetzt.

Von einer Art Busbahnhof aus starteten wir in eben so einem Bus in Richtung El Caoba.

Mit zehn Passagieren war der Bus eigentlich schon überfüllt als wir los fuhren, dennoch hielt der Fahrer für zwei weitere Personen an und ließ diese zusteigen.

Und ein paar Kilometer weiter nochmal zwei.

Somit waren in dem Achtsitzer 14 Passagiere - plus Fahrer, macht 15.

Die Fahrt war trotzdem sehr angenehm, die Leute dort sind einfach nett.

Dort wo man aussteigen will gibt man dem Fahrer ein Zeichen und er hält an.

So konnten wir direkt vor der Werkstatt aussteigen.

Zu früh offensichtlich, denn außer ein paar spielenden Kindern war noch niemand zu sehen.

Es dauerte jedoch nicht lange, da kam ein junger Mann auf uns zu und fragte ob wir die Besitzer des Infinity wären, er sei der Mechaniker.

Ein paar Minuten später war er wieder verschwunden.

Und zwar im Motorraum unseres Autos.

Das würde nun ein Weilchen dauern, dachte ich und wollte gerade los um uns etwas zu Trinken zu besorgen, als der Mechaniker aus dem Motorraum herausruft, er habe das Problem gefunden.

Das ging mir fast schon etwas zu schnell.

Ich ging zu ihm.

Er sass immer noch auf dem Motor. In einer Hand hielt er einen Schlauch der  von der Rückseite des Motors kam.

Ein etwa fingerdicker Schlauch.

Hier fehlte offensichtlich eine Schlauchschelle.

Er meinte, ich solle den Motor starten und, wenn er es sagt, sofort wieder ausschalten.

Ich setzte mich hinters Steuer und drehte den Schlüssel im Zündschloss.

Der Motor schnurrte los.

Unverzüglich spritzte Kühlflüssigkeit aus dem Schlauch.

„¡Apágalo!“ Ausschalten! rief er mir zu.

Ich zog den Schlüssel wieder ab.

Ok, nun hatten wir den Auslöser gefunden.

Doch was für Schäden würde es angerichtet haben?

Schließlich war der Motor so dermaßen überhitzt gewesen, (was die Temperaturanzeige mangels Kühlwasser nicht anzeigen konnte), dass dieser komplett den Dienst quittiert hatte.

Kopfdichtung, Ventile, wer weiß was sonst noch in Mitleidenschaft gezogen wurde?

Bestimmt hatte Thorsten die Schlauchschelle vergessen anzubringen!

Oder war es doch ein Zufall, dass sie einfach nur altershalber abgefallen war?

Der Mechaniker versicherte mir, dass der Motor keinen weiteren Schaden hatte.

Ich vertraute seiner Diagnose nicht so ganz.

Nun brauchten wir nur noch dem Schlauch eine neue Schelle verpassen und gut.

Aber das wäre ja wohl zu einfach gewesen.

Die Werkstatt hatte keine Schelle dieser Größe vorrätig.

Also griff der Mechanikus kurzerhand zu seinem Handy, rief den Jefe an und, soviel verstanden wir von dem Gespräch, bat ihn eine (!) Schelle mitzubringen.

Als dieser kurz darauf eintraf war es eine Sache von einer Minute bis der Schlauch wieder fachmännisch am Motor montiert war.

Neues Kühlmittel wurde eingefüllt und der Motor gestartet.

Er schnurrte wie ein Kätzchen.

Ein paar mal kräftig Gas geben, warten bis der Motor auf Betriebstemperatur war und alles schien gut zu sein.

Die Kosten für das Abschleppen und der Arbeitslohn waren so gering, dass ich mich schon gar nicht mehr daran erinnere.

Die Ersatzteilkosten: 20 Quetzales für die Schelle, das sind etwa zwei Euro.

Ich fragte den Mechaniker nochmals eindringlich ob er sicher sagen kann, dass kein weiterer Schaden entstanden sei.

„¡Absolutamente!“ versicherte er mir nochmals.

Der Stein, der uns vom Herzen fiel hätte das Potential gehabt, die Dinosaurier auszulöschen, wenn es denn noch welche gäbe…

Zutiefst erleichtert verabschiedeten wir uns von den Mechanikern und fuhren zurück nach Flores.

Direkt in die Mall.

Diesmal ohne Zeitdruck und mittlerweile hatten alle Geschäfte geöffnet.

In einem angenehm klimatisierten Café gönnten wir uns etwas Süßes während wir durch die großen Fenster hindurch das Treiben auf dem See beobachteten.

Abends schrieb ich eine Email an Thorsten mit folgendem Betreff:

‚Wir hatten bereits einen kapitalen Motorschaden…‘.

Ohne Anrede dann der Text:

‚…befürchtet.‘

Natürlich habe ich ihm die gesamte Geschichte detailliert geschrieben.

Er antwortete prompt und räumte ein, dass es durchaus sein Fehler gewesen sein könnte, er aber nun froh sei, dass es nochmal glimpflich ausging.

Gerne hätten wir Euch von der Abschleppaktion mehr Bilder gezeigt, aber wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt, ist uns in dem Moment nicht nach fotografieren zumute gewesen.

Im Nachhinein finde ich das selber schade,aber heute kann ich auch über die ganze Geschichte herzhaft lachen, damals...

...eher nicht!

Viermal insgesamt hatten wir das Vergnügen von unserem kleinen Hotelzimmerbalkon den Sonnenuntergang beobachten zu können.

Nun sollte es aber wieder weiter gehen.

Süd-Südost, vorbei am südlichsten Zipfel von Belize nach…

Das werdet Ihr schon bald erfahren.

Unser Viererle bietet ausreichend Platz zum Mitfahren, seid also auch bei der nächsten Etappe wieder dabei und behaltet bis dahin immer schön die...

...Sonne im Visier!

Die aktuelle Etappe. Den Trip nach Tikal haben wir nicht aufgezeichnet



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