35. Country Roads

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(Stadt, Land,) Fluss


Ein gewaltiger Vorteil auf unserer Reise war die Tatsache, dass wir nahezu keinen Zeitdruck hatten.

Unsere Tagesetappen durften nun, da wir die Motorräder gegen ein Auto eingetauscht hatten, gerne auch etwas länger sein.

So starteten wir am Morgen des 2.5. um etwa 10 Uhr von Flores in Richtung unseres nächsten Ziels:

Rio Dulce

Die CA13 führt durch wunderschöne Landschaften in Richtung Süden, nur wenige (etwa 50) Meter am südlichsten Zipfel von Belize vorbei in Richtung der honduranischen Grenze.

Für die gut 200 km von Flores nach Rio Dulce benötigten wir ganze viereinhalb Stunden, dank bequemer Sitze und Klimaanlage jedoch kein großer Deal.

Rio Dulce ist, bzw. war damals für uns kein besonders ansprechender Ort.

Hektisch, staubig und einfach nicht besonders schön liegt der Ort am gleichnamigen Fluss, der vom Lago de Izabal ins karibische Meer fließt.

Dennoch suchten wir uns ein Hotelzimmer, denn außer dem Ort selbst gab es doch das eine oder andere zu erkunden.

Das Hotel lag direkt am Fluss, davor jede Menge verschiedenartiger Boote und Yachten vor Anker.

Anlaufpunkt vieler Seefahrer: Rio Dulce

Dementsprechend war denn auch das Klientel, vor allem in der Hotelbar: Zumeist etwas ältere Herren, braungebrannt, die Haut wie gegerbtes Leder, die Stimme Rauch- und Alkoholgeschwängert, die T-Shirts verlöchert.

Seebären, die hier hängen geblieben sind, wie uns schien.

Nicht unsympathisch, aber doch etwas strange.

Zwei Dinge wollten wir hier, bzw. von hier aus erkunden.

Das erste Ziel war Livingston.

Nur per Boot erreichbar und überwiegend von Garifunas bewohnt liegt Livingston an der Mündung des Rio Dulce in den Golf von Honduras.

Die ca. 30 km über den Fluss legt man mit sogenannten ‚Lanchas‘, einfachen, motorisierten Booten in etwa eineinhalb Stunden zurück.

Das Wetter war nicht schlecht, wenn auch bewölkt.

Anfangs ging die Fahrt vorbei an teuren Yachten und Segelbooten, die z.T. in Carport-ähnlichen ‚Garagen‘ standen, erstmal in die falsche Richtung.

So lässt es sich leben

Unter der imposanten Brücke hindurch, über die die CA13 führt, in den Lago de Izabal.

Ziel dieses Abstechers war das ‚Castillo de San Felipe de Lara‘, ein Schloss aus dem 17. Jh, das auf einer Landzunge steht, die weit in den Lago de Izabal hinein reicht und eine für damals strategisch wichtige Enge bildet.

Das Castillo selbst haben wir nicht besucht, aber der Anblick vom Boot aus war schon sehr beeindruckend.

Dann sollte es aber ans eigentliche Ziel gehen, an die Karibik, nach Livingston.

Je weiter wir kamen, umso einfacher wurden die Häuser und auch die Boote.

Der Fluss ist an manchen Stellen sehr breit und dementsprechend ruhig.

Rechts und links dichter Dschungel.

Einige Bereiche erinnerten uns eher an Seen als an einen Fluss, wuchsen hier doch massig Seerosen.

Vögel stapften darüber, Frösche quakten.

Ein paar Minuten zuvor noch teure Yachten vor den Häusern, jetzt kamen uns ein paar Frauen und Mädchen in einfachen Kanus und sogar Einbäumen entgegen gepaddelt und boten uns Obst, Gemüse und Gebäck zum Kauf an.

Die Fahrt ging weiter, Livingston kam in Sicht.

Ein altes Fischerboot lag gekentert, halb versunken in Ufernähe, Pelikane und andere Vögel sassen auf einer verwitterten Stahlbrücke unter der wir durchfuhren und jeder der Fahrgäste zog instinktiv den Kopf ein.

Nicht etwa weil die Brücke so niedrig war, sondern weil jeder befürchtet hatte einen Vogelschiss abzubekommen.

Soll ja angeblich Glück bringen.

An dem kleinen Hafen herrschte geschäftiges Treiben.

Jede Menge Waren lagen aufgestapelt da und warteten auf ihren Abtransport.

Ein paar Einheimische fischten.

Einer schien Erfolg zu haben und zog an seiner Angelschnur.

Zum Amüsement aller Anwesenden holte der glückliche Kerl dann - ein Fahrrad aus den Tiefen.

Ein bisschen putzen, wer weiß, vielleicht taucht es  dann wieder...

Wir stiegen aus und versicherten uns nochmal beim Bootskapitän, dass wir die Abfahrtszeit für die Rückfahrt auch richtig verstanden hatten und machten uns auf den Weg in Richtung Zentrum.

Eigentlich ist Livingston sehr touristisch, doch aufgrund der Tatsache, dass es nur über den Wasserweg erreichbar ist, findet man hier eher die Backpacker vor.

Das und die bunt gemischte Bevölkerung gibt dem 15.000 Seelen Ort einen ganz besonderen Flair.

Wir spazierten erst mal durch den Ort.

Windowshopping.

In einem der unzähligen Lädchen wurden u.A. Macheten zum Verkauf angeboten.

Wenn es irgendwo Messer oder ähnliches gibt, kann ich nicht umhin mir diese anzuschauen.

Umgerechnet sieben Euro verlangten die für eine durchschnittliche Machete.

Ich hätte beinahe zugeschlagen, Conny hatte mich dann aber doch noch davon überzeugt, dass wir diese für die Reise nun wirklich nicht unbedingt brauchen würden.

Na gut, dann eben nicht.

Gegenüber des ‚Palacio Municipal‘, also des Rathauses setzten wir uns in ein kleines Restaurant um etwas zu trinken und um Leute zu gucken.

Leute gucken macht Spaß!

Nicht nur Leute, manchmal auch - Fahrzeuge.

Wenn man diese denn so nennen darf.

Ein türkisgrünes Etwas fuhr an uns vorbei.

???

Musste in seinem früheren Leben ein Kleinwagen gewesen sein, die Marke konnte ich leider nicht feststellen.

Jedenfalls bestand das ‚Gefährt‘ überwiegend aus grob verarbeitetem Fiberglas, ein paar Rohren und alten Sitzen.

Türen? Fehlanzeige!

Das Ding schien ein Taxi zu sein.

Und wie es sich hierzulande so gehört, wird mit einem Taxi quasi alles transportiert was irgendwie rein, bzw. drauf passt.

In diesem Fall die hinten drauf gebundene Schubkarre, die Kühlbox auf dem Beifahrersitz und eine Dame als Fahrgast auf dem Rücksitz.

Erst dachte ich, das wäre ein umgebautes Tuc-Tuc, aber dann sah ich, dass es vier Räder hatte und, anders als die Tuc-Tucs, ein Lenkrad statt eines Mopedlenkers.

TÜV sagt nein

Der deutsche TÜV würde vermutlich eigens für dieses Fahrzeug ein Museum eröffnen.

Um das Boot nicht zu verpassen machten wir uns rechtzeitig wieder auf den Weg in Richtung Hafen.

Das Boot fuhr pünktlich ab und wir durften noch einmal die imposante Fahrt über den Fluss zurück nach Rio Dulce genießen.


Einen weiteren Spot wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen: 20 km westlich von Rio Dulce gibt es heiße Quellen.

Als wir nach ein wenig Sucherei die Zufahrt gefunden hatten, parkten wir einsam und alleine auf einem Parkplatz mitten im Wald.

Schilder wiesen den Weg zu den Quellen.

"Hast Du den Fotoapparat mitgenommen?" fragte Conny

Ihr ahnt es schon, die Antwort war: "Sh*t, nein, der liegt noch im Hotelzimmer."

Deshalb leider keine Bilder von den heissen Quellen. Sorry!

Zu Fuß ging‘s weiter, ein gutes Stück an einem kleinen Fluss entlang.

Ein Wasserfall, etwa 10 -12 m hoch, lag vor uns.

Dampfend ergoss sich dieser in den Fluss.

Das Ganze sah aus wie aus einem Disney Märchenfilm.

Unter dem Felsen, über den das heiße Wasser herunterlief hatte sich eine Art Höhle oder Überhang gebildet.

Wir stiegen ins Wasser.

Erstaunlich kühl, dachten wir zuerst, doch je näher wir dem Wasserfall kamen umso wärmer wurde es.

Flussaufwärts der Stelle, wo der Wasserfall in den Fluss fällt ist das Wasser fast schon kalt, während das von oben kommende zu heiß war um direkt darunter zu stehen.

Die Mischung macht‘s.

In der Höhle, hinter dem Wasserfall, fühlte man sich wie in einer Dampfgrotte.

Na ja, eigentlich war es ja auch eine.

Wo kam das heiße Wasser her, wollte ich wissen und stieg den Berg hinauf um dies herauszufinden.

Oben angekommen folgte ich dem dampfenden Wasserlauf und kam nach ungefähr 100 m an dessen Ursprung.

Relativ unspektakulär kommt das siedend heiße Wasser einfach nur so aus dem Waldboden, bildet einen kleinen Teich und fließt dann in Richtung Fluss.

So etwas hatten wir Beide vorher noch nie gesehen.

Ein natürliches Spa, kostenfrei und ohne Chlor.

Ok, dafür roch es nach Schwefel, zumindest in der Nähe der Quelle.

Nach einer halben Stunde etwa kam junges Pärchen hinzu, ansonsten waren wir für die ganze Zeit, die wir dort verbrachten, alleine.

Nur 40 km


Was wir sehen wollten hatten wir gesehen.

Rio Dulce fanden wir nicht gerade so prickelnd um länger zu bleiben, also packten wir unsere Sachen und machten uns wieder einmal auf den Weg.

Nach Lanquin.

Hauptsächlich um von dort aus 'Semuc Champey' zu besuchen.

Um nach Lanquin zu kommen mussten wir ein gutes Stück auf der CA13 wieder zurück fahren, wenn wir nicht die deutlich längere, südliche Strecke über die 7E fahren wollten.

Laut Landkarte alles 'geteerte' Strecke.

Also fuhren wir zurück.

Auf der Herfahrt war uns die Abzweigung, die wir heute nehmen mussten, bereits aufgefallen.

Diese wieder zu finden wäre einfach.

Dachten wir jedenfalls.

Irgendwann wurde uns jedoch klar: wir hatten diese Abzweigung verpasst und waren zu weit gefahren.

Da half alles Meckern nichts, wir mussten umdrehen.

40 x 2 = 80 km Umweg.

Da war sie doch, die Abzweigung. Wie konnten wir daran nur vorbeifahren?

Na klar, die Strasse war geschottert, wir hatten nach einer‚geteerten‘ Ausschau gehalten.

Egal, nun hatten wir sie ja gefunden.

Die Schotterstrecke wird schon nicht so lang sein.

Von hier aus lag Lanquin nur ca. 150 km entfernt.

Das sollte in zwei, maximal drei Stunden machbar sein.

Die Landschaft um uns herum war phantastisch, es machte richtig Spaß hier entlang zu fahren, trotz Schotterpiste.

Wir fragten jemanden am Straßenrand, wie weit denn die Strasse geschottert wäre, bzw. ab wann wir mit Asphalt rechnen könnten. 

 "40 km" war die Antwort, die wir bekamen.

Nach besagten 40 km freuten wir uns, bald wieder bessere Straßenverhältnisse vorzufinden.

Der anfängliche Spaß am ‚Offroaden‘ war längst verflogen.

50 km, 60 km, 70 km... immer noch Schotterpiste.

80 km

Dann kam die Erlösung. Asphalt. Neuer Straßenbelag, fast schon wie eine Autobahn.

Was waren wir glücklich.

Gut die Hälfte der gesamten Strecke zwischen der Abzweigung und Lanquin war geschafft.

Trotz der schlechten Straßenbedingungen waren wir eigentlich noch ganz gut in der Zeit.

Den Zeitverlust würden wir jetzt wieder aufholen.

Kurze Verschnaufpause

Die Gegend um uns herum wurde bergig, es ging mehr und mehr bergauf, die Landschaft wurde etwas karger und -

- Baustelle vor uns!

Plötzlich, ohne Vorwarnung wechselt der asphaltierte Straßenbelag wieder einmal zu Schotter.

Ein paar Kilometer nur, zum Glück.

Dieses Spiel wiederholte sich ein paarmal.

Wir kamen höher und höher, waren mal wieder auf Schotter unterwegs.

Die Strasse stieg steil an.

Vor uns ein Lastwagen mit einer Panne, mindestens 20 Leute standen drum herum.

Die Hälfte davon hielten den Daumen raus, wollten mitgenommen werden.

Abgesehen davon, dass wir nur Platz für maximal zwei zusätzliche Personen gehabt hätten, nahmen wir aus Prinzip keine Tramper mit, also sind wir weitergefahren.

Die Strasse wurde immer schlechter.

Einer der besseren Abschnitte

So schlecht und teilweise so steil, dass ich den Allradantrieb zuschalten musste.

Hatten wir uns denn verfahren?

Offensichtlich waren wir auf einer Passstraße gelandet, rechts ging es senkrecht an die hundert Meter nach unten, links der massive Berg neben uns.

Nur im Schneckentempo konnten wir uns vorwärts bewegen.

Gelegentlich kreuzte eine andere Strasse unseren Weg.

Sollten wir abbiegen?

Rechts?

Links?

Oder geradeaus weiter fahren?

Ein Mann kam uns zu Fuß entgegen.

Na dann konnte ja die Zivilisation nicht gar so weit sein!

Ich hielt an um ihn zu fragen ob wir auf dem richtigen Weg nach Lanquin seien.

Er bejahte dies so, als wäre das der einzig richtige Weg dorthin, und zeigte eifrig in die Richtung, in die wir fuhren.

Ihr müsst Euch die Szenerie in etwa wie in einem überdimensionalen Steinbruch vorstellen.

Wir setzten unsere Fahrt also fort.

Offensichtlich hatten wir den höchsten Punkt erreicht, denn auf einmal ging es nur noch bergab.

Die Strasse war eigentlich nicht wirklich eine Strasse mehr, eher ein Weg.

Super schmal, eher felsig als Schotter, auch hier der steile Abhang auf der einen Seite und der Berg auf der anderen.

Ein verwittertes Blechschild an einer Art Wendeplattform.

Sinngemäß stand darauf geschrieben: ‚Diese Strasse darf vier Stunden lang nur in die eine und die nächsten vier Stunden nur in die andere Richtung befahren werden!‘

Das ganze mit den entsprechenden Tageszeiten versehen, ähnlich wie bei Ladenöffnungszeiten.

Natürlich waren wir eine Viertelstunde zu spät.

Knapp vier Stunden hier stehen und warten?

Ich behaupte von mir, einer der geduldigsten Menschen zu sein und gleichzeitig einer, der sich an Vorschriften hält.

Wir schauten uns kurz an, nickten und ich fuhr los. No risk, no fun!

Gut eine halbe Stunde lang durfte unser Viererle hier seine Allradfähigkeiten beweisen.

Wäre uns auf dieser Strecke ein Fahrzeug entgegen gekommen, wir hätten alles rückwärts wieder hoch fahren müssen.

Doch das Glück war uns hold.

Irgendwann wurde die Strasse wieder breiter, und die Landschaft um uns herum wieder grüner.

Doch noch immer hatten wir Zweifel ob wir auf dem richtigen Weg waren. Wie schon gesagt, die Landkarte versprach ‚asphaltierte Strasse‘.

Mittlerweile waren wir etwa vier Stunden ununterbrochen auf alles anderem als Asphalt unterwegs gewesen.

Nicht gerade asphaltiert...

Ich musste an die Leute mit dem liegengebliebenen LKW denken, die hatten einen weiten, beschwerlichen Weg vor sich. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir wahrscheinlich ein paar Jungs mitgenommen, entgegen unseres Grundsatzes.

Ein weiteres mal fragten wir einen Passanten nach dem Weg.

„Ja, nach Lanquin seid Ihr hier genau richtig. Folgt dieser Strasse. Nach zwei Kilometern endet die Schotterpiste, kurz darauf müsst Ihr dann nach links abbiegen. Dann sind es noch 11 Kilometer bis Lanquin. Schotterstraße.“

Na das ließ ja hoffen!

Die Angaben des netten Herrn waren erstaunlich präzise.

Gerade als wir endlich wieder Asphalt unter die Räder bekamen sahen wir ein Schild, bei dem wir nach Lanquin abbiegen mussten.

Nun sollten es nur noch 11 km sein.

Ein paar Minuten und wir wären endlich am Ziel.

Ziemlich genau 35 Minuten brauchten wir dann aber doch noch für diesen letzten Abschnitt.

Resümee: Von unserem Ausgangspunkt Rio Dulce bis nach Lanquin sind es 200 km. Unseren Umweg mit einberechnet 280 km.

Sollte eigentlich in drei bis vier Stunden zu bewältigen sein.

Nach exakt acht Stunden parkten wir unser Viererle im Hof eines Hotels.

Manchmal sehe ich uns Beide mit den Moppeds diese Strecke fahren und bin dann wieder einmal überzeugt, dass wir im richtigen Moment auf‘s Auto umgesattelt haben.

Erschöpft fielen wir (nach ein oder zwei ‚Gallos‘) ins Bett.

Also dann, gute Nacht bis zum nächsten Morgen wenn dann wieder die ‚Sonne im Visier‘ erscheint.

Und ein paar andere Überraschungen…



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