36. ‚Wo das Wasser verschwindet‘

0  comments

La Rana


Das Hotel in Lanquin glich ein wenig einer Jugendherberge.

Sehr schön an einem Hang gelegen, bot es unter Anderem einige auf dem Gelände verstreute Cabañas, ein Gebäude mit vier nebeneinander liegenden Zimmern, einen Barbereich, der gleichzeitig auch das ‚Restaurant‘ war.

Ich schreibe hier Restaurant deshalb in Anführungszeichen, weil es eigentlich kein solches war, sondern eher eine Art Mensa.

Man musste sich vormittags in eine Liste eintragen, um sich abends dann seine Portion an einer Art Buffet abzuholen.

Auch das Klientel trug zum Jugendherbergen-Charme bei: Überwiegend sehr junge Backpacker und Traveller aus der ganzen Welt, der Großteil aber natürlich aus den USA.

Ein paar Hängematten unter Palapadächern luden zum wortwörtlichen Abhängen ein.

Am unteren Ende des Grundstücks fließt der Río Lanquín entlang.

Restaurant und W-LAN Spot. Direkt am Fluss...

Unser Zimmer war in dem massiven Gebäude.

Gleich das erste.

Es trug den Namen ‚La Rana‘, der Frosch.

Es war sehr einfach eingerichtet, jeweils ein Bett auf der rechten und eins auf der linken Seite.

Von richtiger Belüftung hatten die Architekten wohl eher wenig Ahnung gehabt, es war ein wenig muffig und feucht.

Aber sauber, und das war wichtig.

Die Betten waren schmal und die Matratzen wie Trampoline.

Schon kurz nachdem wir ins Bett gefallen waren mussten wir feststellen, dass so nicht an einen ruhigen Schlaf zu denken war.

Also schliefen wir getrennt.

Aufgeweckt wurden wir durch das Zwitschern der Vögel, das Quaken von Fröschen und sonstigen tierischen Stimmen.

Der Berg auf der anderen Seite des Flusses war nebelverhangen als ich auf die Terrasse vor dem Zimmer ging und tief die frische Luft in mich einsog.

Nach dem Frühstück hielt es uns nicht lange im Hotel.

Der Besuch eines ganz besonderen Ortes stand auf dem Plan: Die Kaskaden von Semuc Champey.

Um dort hin zu kommen empfiehlt der Reiseführer entweder eine geführte Tour zu buchen oder man hat ein Allradfahrzeug und nimmt die etwa 10 km Holperpiste auf sich.

Nach dem vorangegangenen Tag konnte uns nichts mehr abschrecken selbst zu fahren.

Der Reiseführer hatte zwar nicht übertrieben, aber, obwohl wir für die Strecke 45 Minuten brauchten, war sie dennoch besser als so mancher Abschnitt der Strecke von Rio Dulce nach Lanquin.

Und es hat Spaß bereitet.

Am Parkplatz angekommen musste ein Eintritt von 50 Quetzales pro Person entrichtet werden. Fünf Euro. Plus 15 Quetzales Parkgebühr.

Der Weg vom Parkplatz zu den Kaskaden, entlang des Río Cahabón, war bereits ein Erlebnis.

Auf etwa 350 Metern Höhe ü.NN gelegen, ist die Natur hier tropisch.

Grün.

Und warm.

So wie wir es mögen.

Rechts und links des Flusses steigt der Dschungel an die 100-150 m, vielleicht auch noch weiter, steil an.

Der weitestgehend gut angelegte Weg führt durch dichten Urwald, über Stock und Stein, z.T. durch kleine natürliche Felstunnels, die wiederum von riesigen Baumwurzeln überwuchert sind.

Dann standen wir davor.

Vor den Kaskaden von Semuc Champey, was soviel bedeutet wie ,wo das Wasser verschwindet‘.

Der Name rührt daher, dass ein großer Teil des Wassers oberhalb der sechs natürlichen, bis zu drei Meter tiefen Kalksteinpools, die sich über eine Gesamtlänge von etwa 300 m erstrecken, unter der Oberfläche verschwindet, unter den Pools hindurch weiterfließt um dann danach wieder an die Oberfläche zu kommen.

Hier besser nicht reinfallen!

Die Stelle, wo der Fluss quasi 'verschwindet', wurde, als wir dort waren von einem Mitarbeiter des Nationalparks bewacht, da diese Stelle des Flusses sehr gefährlich ist.

Nichts konnte uns nun mehr halten.

Raus aus der sowieso schon spärlichen Wolle, rein in‘s warme Nass.

Oberhalb der Pools war es tief genug für ein paar ‚Flachköpper‘.

Flachköpper macht Laune

Man konnte sich von einem Pool in den anderen hinabgleiten lassen.

Traumhaft, findet Ihr nicht?

Einfach herrlich, so in der freien Natur im glasklaren Wasser des Flusses zu schwimmen.

Ein junges Pärchen bot sich an, ein paar Fotos von uns Beiden zu machen (gibt‘s ja eh viel zu wenige).

Nachdem wir fast schon Schwimmhäute bekommen hatten beschlossen wir, den Aufstieg zu einer Aussichtsplattform, dem ‚El Mirador‘, auf uns zu nehmen.

Ein steiler Pfad schlängelt sich im Zickzackkurs durch den feuchten, dichten Dschungel den Berg hinauf.

Kurze Verschnaufpause

Etwa 100 m oberhalb der Pools befindet sich die kleine Plattform.

Mit einer atemberaubenden Aussicht auf die Schlucht und die unter einem liegenden Pools.

Viele Leute hatten sich hier schon verewigt, die Pfosten waren voller Ritzereien und Kritzeleien.

Der Aufstieg war anstrengend, keine Frage, aber er hatte sich definitiv gelohnt.

Doch wir mussten auch wieder nach unten kommen.

Zum Glück nicht denselben Weg wieder zurück, sondern, dem Pfad einfach weiter folgend kamen wir ganz in der Nähe des Parkplatzes wieder an den Fluss.

Jeder Meter Holperfahrt und jeder noch so anstrengende Schritt war dieses Erlebnis wert.

Ok, noch hatten wir ja den Rückweg nach Lanquin vor uns.

Aber auch diesen haben wir, dank Allradtechnik, ohne Probleme geschafft.

Blick auf den Fluss von einer Brücke aus

Smoke on the water...


Im Hotel hatten wir uns schon morgens, bevor wir aufgebrochen sind, in die Liste für‘s Abendessen eingetragen.

Chili war angekündigt.

Lecker, da freuten wir uns schon drauf.

Die Zeit bis dahin verbrachten wir in der Hängematte, und damit, uns ins ultra langsame, weil total überlastete Internet einzuloggen.

Es dämmerte bereits.

Plötzlich Hektik.

Die Küchencrew rannte aus der Küche hinunter an den Fluss.

Wir wurden neugierig und folgten ihnen.

Aufgeregt gestikulierend standen sie da, Blickrichtung flussaufwärts.

Wir mussten nicht lange suchen: Etwa 150-200 m flussaufwärts brannte es lichterloh!

Dichter Rauch hing alsbald über dem gesamten Tal.

Holzfeuer, eindeutig. Hier war fast alles aus Holz gebaut, es konnte also durchaus ein Haus sein, oder auch mehrere, das war schwer abzuschätzen.

Kurz darauf bekamen wir die Info, dass im benachbarten Hotel drei Cabañas in Flammen standen.

Was konnten wir tun? Sollten wir unsere Hilfe anbieten?

Würde die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle bringen?

„Lanquin hat keine Feuerwehr.“ so die Auskunft eines Hotelangestellten.

Zwei Jungs aus der Schweiz und wir Zwei beschlossen, loszuziehen um zu sehen ob wir irgendwie behilflich sein könnten, sei es nur Wassereimer schleppen.

Ein junger US-Amerikaner schloss sich gegen den Willen seiner verängstigten Freundin an. Wir versprachen ihr, ihn heil wieder zurück zu bringen.

Um zum Ort des Geschehens zu kommen mussten wir einen relativ weiten Umweg machen, die ganz normale Strasse führte sozusagen ‚mit der Kirche um‘s Dorf‘.

Als wir an dem Hotel ankamen stand ein Wassertanklaster, der uns auf dem Weg hierher überholt hatte, auf dem Parkplatz.

Kein Schlauch, keine Pumpe, keine Feuerwehrhelme, nein, ein normaler Hahn am Tank und an dem wurden diese fünf Gallonen fassenden Trinkwasserflaschen und ein paar Eimer befüllt.

Vom Parkplatz aus musste man diese dann durch die gesamte Anlage zu den brennenden Gebäuden schleppen.

Das taten wir.

Je näher man der Brandstelle kam, umso heißer wurde es. Und das obwohl das Feuer bereits weitestgehend unter Kontrolle war, also zumindest ein Übergreifen auf die benachbarten Gebäude vermieden werden konnte.

Conny half beim Abfüllen.

Mit ihrer Handytaschenlampe, damit die Abfüller auch etwas sahen.

Schaulustige standen im Weg und gafften.

Wenn ich sage ‚im Weg‘ , dann heißt das auf einem Weg, der für eine Person in eine Richtung gerade mal breit genug ist.

Ich hatte die knapp 20 Liter fassende Flasche geschultert und rannte ohne Rücksicht auf diese Idioten einfach drauf zu.

Hab' mir dabei sicher keine Freunde gemacht, aber auf solche Freunde kann ich gut verzichten.

Um zur Brandstelle zu kommen musste man auch an der Hotelbar vorbei.

Einige Leute sassen mit einem Drink in der Hand an der Bar.

Mir fehlten echt die Worte!

Das Feuer war gelöscht, der Geruch von Rauch und verdunstetem Löschwasser hing in der Luft.

Wie wir erfahren hatten, befand sich ein Gast wohl schlafend in einer der Cabañas als das Feuer ausbrach, wachte aber glücklicherweise rechtzeitig auf und konnte sich retten.

Einige der Gäste hatten ihr gesamtes Reise-Hab und Gut in den Flammen verloren.

Gerüchte kursierten, dass der eine Gast mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen sein solle.

Gerüchte.

Niemand war verletzt, der Sachschaden enorm.

Wir konnten hier nichts mehr tun, also machten wir uns auf den Heimweg.

(Ihr habt sicher Verständnis dafür, dass es von diesem Zwischenfall keine Bilder gibt)

Wer zu spät kommt...


Hungrig waren wir jetzt, nach der ganzen Aufregung.

Die Freundin des Amerikaners war sichtlich erleichtert als sie ihren Freund unversehrt wieder bekam.

Das Buffet war -

LEERGEFRESSEN!!!

Das Personal aus der Küche sagte uns, dass es durchaus öfters vorkomme, dass Gäste nicht zum Essen erscheinen, dann würde dies auf die anderen verteilt werden.

„???“

„Leute, wir haben dort drüben beim Löschen geholfen und Ihr sitzt gemütlich hier und macht Euch über unser Essen her? Wirklich?“ wir waren wütend.

Natürlich war das Chili weg und sie konnten uns nicht mal eben ein neues kochen.

Wir mussten uns mit etwas Kaltem begnügen, aber immerhin hat sich die Küchencrew Mühe gegeben.

So, jetzt würde jeder vermutlich erwarten, dass es an dem Abend wohl kein anderes Thema mehr gab als den Brand.

Weit gefehlt.

Ziemlich schnell war wieder alles ‚back to normal‘.

Vom Vögeln geweckt werden


Darüber ziemlich ernüchtert sassen wir noch bei ein paar Drinks da, versuchten noch einmal ins Netz zu kommen und, als das immer noch nicht funktionierte, verabschiedeten wir uns und gingen ins Bett.

Auch wieder getrennt, wegen der Matratzen.

In der Nacht hatte ich einen erotischen Traum.

So erotisch, dass ich davon aufwachte.

Ich war wach, doch das Stöhnen hörte nicht auf, nein, es wurde eher noch intensiver.

Ich war immer noch alleine in meinem Trampolinbett.

Conny schien nach wie vor fest zu schlafen - in ihrem Trampolinbett, auf der anderen Seite des Zimmers.

Woher kam das lustvolle Stöhnen?

Es hörte sich an, als liefe ein Pornofilm im TV.

Nur, unser Zimmer hatte keinen Fernseher.

Ein Blick zur Decke oberhalb Conny‘s Bett brachte Klarheit: Die (massive) Trennwand zwischen unserem und dem benachbarten Zimmer war oben etwa 20 cm offen.

Nicht ganz offen, aber mit diesen durchbrochenen Steinen gemauert.

Vermutlich hatten die Bauplaner sich hier etwas Lüftung erhofft.

Das Pärchen nebenan hatte jedenfalls offensichtlich Spaß am ‚Frühsport‘.

(...)

Beim Frühstück waren schon nicht mehr so viele Gäste anwesend wie am Vortag, offensichtlich waren einige schon sehr früh abgereist.

Dafür aber erschien außergewöhnlicher Besuch: Gemütlich grasend streifte ein Buckelrind über das gepflegte Gelände.

Das Hotelpersonal hatte seine liebe Not, den Eindringling davon zu überzeugen, dass das Buffet hier nicht für ihn angerichtet war.

Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner...

Auch für uns würde es das letzte Frühstück hier in Lanquin sein, die Reise sollte weiter gehen.

Hoffentlich auf besseren Strassen, mit Sicherheit aber mit der ‚Sonne im Visier‘…

Sehr weit gefahren sind wir nicht, dafür aber umso weiter zu Fuß gegangen...



Weitere Beiträge in diesem Zeitraum:

34. Dehydriert im Dschungel

34. Dehydriert im Dschungel

35. Country Roads

35. Country Roads
Gut oder geht so?!?

Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}