10. Der schwarze Krieger im Glitzerland

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"¿Gasolina?" -  "¡Sí, por favor!"

Vollgetankt starteten wir also wieder in das Abenteuer "mexikanischer Highway", das uns durch so manches staubiges Pueblo führte.

Der Begriff Highway darf hier nicht überbewertet werden.

Es ist lediglich eine gut ausgebaute, staubige Strasse.

Gelegentlich hatten wir das Gefühl den Gashahn kurz mal eben bis zum Anschlag aufzudrehen. Nicht etwa wegen Adrenalindefizits sondern eher um dem Gestank zu entkommen, der alle paar Kilometer mal den Weg in unsere Nasen fand.

Anfangs dachten wir, es wären vielleicht Stinktiere oder so.

Irgendwann aber wurde uns klar: Es waren "Stink-Tiere"!

Wenn ein Tier wie z.B. eine Kuh, ein Esel oder ein Pferd auf der Strasse überfahren und einfach am Straßenrand liegen gelassen wird entwickelt es sich nach ein paar Tagen unvermeidlich zum Stink-Tier...

Die Dörfer, durch die wir kamen wirkten staubig, verursacht vom Durchgangsverkehr.

Trotzdem wurden alle möglichen Waren mehr oder weniger direkt an der Strasse zum Verkauf angeboten.
Der Verkäufer des Mädchenkleides, das schon ziemlich eingestaubt auf einem Ständer hing hoffte, dass ein Vorbeifahrender gerade auf der Suche nach genau diesem Kleid wäre und deshalb anhalten würde...
Aber so auch der Obst- und Gemüsehändler, der Schuhverkäufer, etc.

Die Baja California ist in Nord und Süd aufgeteilt.

Es gibt sogar so etwas wie eine Grenzmarkierung in Form einer Schranke, jedoch keinen Grenzposten.

Schließlich (so glaube ich jedenfalls) ist die Teilung nicht politisch sondern rein geographischer Art: Hier ändert sich die Zeitzone, das heißt die Uhr wird um eine Stunde - vorgestellt.

Oder zurück? Ach, was weiß ich denn...

"Nur" 240km südlich von Cataviña befindet sich, fast exakt auf dieser "Grenze" das Städtchen "Guerrero Negro" -  der "schwarze Krieger".

Hier machten wir Halt um uns ein Hotel für ein, zwei Übernachtungen zu suchen.

Schnell waren wir fündig geworden. Ein sehr schön angelegtes Hotel mit vielen Blumen im Innenhof, über den man in sein sehr angenehm eingerichtetes Zimmer kam.


Conny schrieb während der gesamten Reise in regelmäßigen Abständen Reiseberichte, die wir dann auf unserer eigens dafür angelegten Webseite veröffentlichten, sodass unsere Freunde stets virtuell mit uns reisen konnten.

Hierfür benötigten wir Internetzugang, den wir bisher meist über freies W-LAN bekommen hatten.

Das gab es hier nicht, also mussten wir schauen dass wir unser eigenes "Netz" bekamen.

Also kauften wir eine SIM-Karte, die in das von Deutschland (in weiser Voraussicht) mitgebrachte USB-Modem eingelegt wurde und - nicht funktionierte!

War ja klar!

Mit der Hilfe von ein paar jungen Hotelangestellten und -gästen, die Verständigung ähnelte der Gebärdensprache, haben wir es dann letztlich doch irgendwie hinbekommen.

Das war nicht nur wegen der Reiseberichte wichtig, die hätten ja auch noch ein oder zwei Tage länger warten können.

Nope! Die Internetverbindung war deshalb so wichtig weil ich mal wieder (und täglich grüsst die Dolores) technische Probleme hatte und deshalb per Skype den Motorradmechaniker unseres Vertrauens in Deutschland anrufen wollte um endlich mal eine vernünftige, wenn auch Fern-, Diagnose zu bekommen.

Dazu musste ich, wegen der Zeitverschiebung um 3 Uhr nachts aufstehen.

Guerrero Negro lebt vom Salzanbau.

"Anbau" deshalb, weil, anders als in Salzbergwerken hier das Salz nicht abgebaut, sondern in den sogenannten "Salinas" durch Verdunstung des Meerwassers das verbleibende Salz "geerntet" wird.

Image by Raúl Mendoza Salgado from Pixabay


So zumindest meine Interpretation.

Bei einem Spaziergang durch die Stadt kamen wir in ein Seitensträsschen das in einer Sackgasse zu enden schien und am Ende sah man eine dieser Salinas glitzern.

"Lass' uns da mal näher hingehen und uns das anschauen."

Gesagt, getan, wir gehen die Strasse entlang.

Fast am Ende angekommen plötzlich Hundegebell.

Nix mimimi, sondern eine Bande von 5, vielleicht 6 Hunden kamen zähnefletschend auf uns zu gerannt.

Ein leichtes Gefühl von Panik wich sehr schnell purer Angst, gebissen zu werden.

Wundentzündung, Fieber und Ähnliches würden wir bekommen! 

Klingt jetzt lustig, aber diese Gedanken gehen einem in solch einer Situation in Bruchteilen von Sekunden durch den Kopf.

Instinktiv machte ich das einzige, was in diesem Moment möglich schien, außer dem Allerdümmsten was man machen könnte - nämlich weglaufen: Ich bückte mich um ein paar Steine aufzuheben um diese nach den angreifenden "Bestien" zu werfen, die bedrohlich auf Conny zurannten.

Das kannten die kleinen Biester wohl irgendwo her!

Kaum hatte ich einen Stein in der Hand, ich hatte noch nicht mal Zeit auszuholen um diesen zu werfen, zuckte die ganze Bande zusammen.

Alle, wirklich jeder einzelne, zogen die Schwänze ein und suchten das Weite.

Ihr dürft mich jetzt auch gerne Siegfried nennen, dankeschön (*kicher*)...

Nun, da wir nichts mehr zu befürchten hatten konnten wir das bizarre Bild der Salinas bewundern. Wie ein Meer aus Diamanten glitzerte es vor uns. Eine Szene wie aus einem Märchen.

Wieder zurück im Hotel sahen wir einen Typen mit einer (mal wieder) höher gelegten (*Neid*) Enduro vor dem Eingang stehen.

Er war offensichtlich eben erst angekommen.

Wenig Gepäck dabei, aber die Maschine sah aus, als wäre er gerade mal quer durch die gesamte Wüste der Baja gefahren.

Andy's Maschine neben der Dolores: Da bräuchte ich 'ne Leiter


Er checkte gerade ein.

Wir kamen ins Gespräch.

Ich hatte ja erwartet, dass er einer dieser Typen ist, die, wie die Jungs die bei San Felipe über unsere Köpfe hinweg geflogen sind, wie Adrenalinjunkies aus Spaß oder auch wettbewerbsmäßig die "Baja fahren", wie man so schön sagt.

Weit gefehlt!

Andy ist Zoologe und Wissenschaftler aus San Diego, der mit seiner Enduro die Wüste der Baja durchkämmt, auf der Suche nach irgendwelchem Wild (hab' leider vergessen um welche Tierart*en es sich gehandelt hat), das umgesiedelt werden sollte, weil der Mensch für seine Kuhherden deren Lebensraum in Beschlag nimmt und so das Futter knapp wird...

So kann man sich täuschen.

Schnell kam natürlich die Technik ins Gespräch und Andy meinte: "Lass' uns doch mal gemeinsam drüber schauen, 'ne Ladung WD40 hat schon oft Wunder gewirkt, speziell bei den hiesigen Bedingungen."

Das Hotel hatte einen riesigen Parkplatz im Hinterhof, wo wir uns aussuchen konnten, wo wir denn an der Dolores ein wenig rumschrauben könnten.

Dolores halt mal wieder...


Gerade als wir so mitten drin waren rollt ein riesiger, doppelstöckiger roter Bus auf den Parkplatz.

Nix Besonderes?

Eigentlich nicht!

Hätte er nicht deutsche Kennzeichen gehabt: PA, Passau!

Aehem, ja wie jetzt, was denn...?

Nach einigem Rangieren war eingeparkt und die Türen öffneten sich.

Touris! Aus Deutschland! Hier! Wie aufregend!

Da freut man sich schon auf ein Schwätzchen mit Deutschen...


Sicher erinnert Ihr Euch an das eine oder andere Foto, auf dem unsere Kennzeichen zu sehen sind. Und die Deutschlandfahnen.

Die Leute aus dem Bus kamen näher und unterhielten sich untereinander.

Auf deutsch.

Einer kam dichter an mein Kennzeichen um zu lesen wohin dieses denn gehört.

"Göppingen" las er laut vor, mich und Andy komplett ignorierend.

Ich konnte nur staunen.

"Lange Reise von Passau bis hierher, nicht?" versuchte ich ein Gespräch zu beginnen.

Einige nickten nur, eine Dame sagte:"Ja" und dann verschwanden sie alle im Hotel.

Zum Duschen.

Andy, ich und ein weiterer, inzwischen hinzugekommener US-Amerikaner schauten uns gegenseitig verdutzt an und ich konnte nur sagen:"Seht ihr, das ist der Unterschied zwischen Deutschen und Amis..."

Wir schraubten weiter.

Andy meinte ich solle alle elektrischen Steckverbindungen, eine nach der anderen, lösen, mit WD40 einsprühen, wieder zusammenstecken, die Dolores starten, dann würden wir gleich sehen ob es geholfen hätte.

Nachdem wir eben dies mit einem Stecker von der Zündanlage getan hatten, oh Wunder, - de olle Dolores schnurrt - ohne Aussetzer!!!

WD40 im Wert von ein paar Pesos, ich krieg die Tür nicht zu!

Wollte nicht das Original einstellen...                             Image by Hans Braxmeier from Pixabay


Danke für den Tipp, Andy Blue aus San Diego, ZOOLOGE!!!

Selber Abend, in der Hotelbar.

Ein großer Raum mit Billiardtisch.

Wer mich kennt, weiß von meiner Leidenschaft für dieses Spiel. Conny und ich spielten ein paar Spiele, als irgendwann die ganze Blase deutscher Touristen, alle schon etwas ältere Leute, aufschlug.

Nachdem die Männer der Gruppe ein paar Bierchen hatten, tauten sie auf und wir kamen ins Gespräch.

Jetzt muss ich nochmal gaaanz weit zurück gehen, in die Zeit, als wir noch in Deutschland waren, kurz vor Beginn unserer Reise.

Wir wollten zum Abschied noch eine ehemalige Arbeitskollegin und Freundin von Conny besuchen, die mittlerweile nach Hamburg gezogen war.

Hamburg war für uns Neuland also empfahl Cora ein Lokal, in das wir gehen könnten.

Cora liebt Lateinamerika.

Also suchte sie ein lateinamerikanisches Restaurant aus mit einem uns bis dato nichts sagenden Namen:

"ROATAN"

Hier sollten wir uns schon mal mit lateinamerikanischer Kost anfreunden. Lecker war's, danke Cora für die gute Wahl!

Wieder zurück nach Guerrero Negro.
Der rote Bus war ein rollendes Hotel, ein sogenanntes "Rotel", in dem die Leute in Kojen schlafen, auch eine Küche ist an Bord, nur geduscht wird entweder auf Campingplätzen oder in eigens dafür angemieteten Hotelzimmern, so wie hier eben.

Die Tour, die sie fuhren sollte innerhalb 18 Tagen von LA nach Mexiko City gehen.

Ist schon was Besonderes.

Die Jungs, die nun aufgetaut waren und über ihre Reise schwärmten, wollten natürlich auch über unsere mehr erfahren und wir erzählten ihnen was wir vor hatten.

"Ah, im Jahr xxxx haben wir auch mal eine Südamerikatour gemacht und da waren wir da und haben das erlebt und dann waren wir dort und ... und Costa Rica und Guatemala und..."

Leute! Ihr sprecht von ZENTRALAMERIKA!!! Lernt das endlich!

"Ja, und wisst Ihr wo Ihr unbedingt auch hin müsst, das war unser Highlight schlechthin:

"Roatan!"

Innerlich hab ich mit dem Zeigefinger ein Augenlid nach unten gezogen und dachte mir nur:"Ihr gepamperten Pauschalurlauber wollt also uns 'Globetrottern' erzählen, wo wir hin sollen!?!"

Und dann auch noch auf eine Insel! Neh, echt jetzt?

Wir hatten eine gewisse Vorstellung von dem Platz, an dem wir in Zukunft leben wollten.

Am Meer sollte es sein, nicht zwingend am Strand, aber auch keine Tagesreise entfernt.

Nicht in der Karibik, man hört ja so oft von den Hurricans.

Keine Insel bitte, hier könnte es zu Versorgungsengpässen kommen.

Und dann war da noch das Land Honduras, das so ganz und gar nicht auf dem Schirm war, außer dass wir durchfahren mussten.
Dies machen wir auf dem kürzesten Weg, so war der Plan.

Ach ja, und dann noch El Salvador. Dieses Land hatte zum Zeitpunkt unserer Reise gerade mal 4 oder 5 Jahre einen Bürgerkrieg hinter sich, da wollten wir dann einfach nicht hin.

Letztendlich wurde noch ein netter Billiardabend draus, wir haben noch das eine oder andere Cerveza mit den Jungs getrunken und sind dann schlafen gegangen.

Der schwarze Krieger im Glitzerland. Hört sich an wie eine Mischung aus Ballerspiel und Barbie Movie...

Wie schon erwähnt wird hier Salz gewonnen.

Und das im großen Stil.

Wasser in der Wüste.

Verdunstet.

Was zurückbleibt ist ein Meer von Glitzerkristallen, fast schon unwirklich aussehend.

Der Anblick täuscht: Es ist nicht kalt hier


Wir nahmen uns die Zeit, auch um die Dolores mal wieder probe zu fahren, für einen Abstecher über Wüstenbuckelpisten (fun pur!) zu einer dieser "Salinas", die weit außerhalb der Stadt liegt.

Die Ente auf der Waschbrettpiste


Über einen Kanal wird Meerwasser eingeleitet, das schäumt, als hätte jemand normales Spülmittel in die Geschirrspülmaschine geleert (schon mal probiert?).

Schaumbad gefällig?


Eine riesige Walze aus Schaum wurde vom Wind über die "Strasse" geblasen, nur knapp an der Stelle vorbei, an der unsere Bikes geparkt waren.

Wir waren fasziniert vom Glitzern und ließen es uns nicht nehmen, ein oder zwei Brocken davon in der Jackentasche verschwinden zu lassen. (Diese wiederum kamen dann bei einer Inspektion unserer Jacken vor ein, zwei Jahren wieder zum - na ja, nicht wirklich zum Vorschein, denn der Reißverschluss ließ sich nicht mehr öffnen. Nach dem Waschgang in der Wäscherei hat sich das "Problem" dann wohl "gelöst"...)

Das kommt beim nächsten Kochen ins Nudelwasser...


Mit der nun Aussetzer-frei funktionierenden Dolores und ohne Gepäck machte es Riesenspass den Staub der Wüstenstrasse durchzufräsen...

So macht's richtig Spaß!


So meine Lieben, jetzt habe ich Euch glaube ich genug mit Salz, Sand und WD40 "behandelt".

Im nächsten Bericht wird's dann endlich auch mal wieder etwas grün, da machen wir ein Päuschen für einen Kaffee in der Oase San Ignacio, bevor wir unser nächstes Ziel, Mulegé ansteuern.

Von dort aus möchten wir Euch dann auf einen besonderen Trip mitnehmen.

Wohin?

In die Wüste.

Zum Schwimmen...


Entonces, ¡hasta la próxima!


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