7. Durch die Wüste – und zurück

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Baja California Norte

Nix wie weg aus dem "bösen" Moloch Tijuana!

Auf einer autobahnähnlichen, mautpflichtigen Strasse ging es sehr beschaulich an der Westküste der Baja California entlang in Richtung Ensenada, wo wir als nächstes übernachten wollten.

Nach nur eineinhalb Stunden waren wir auch schon dort und machten uns auf die Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft.

Wir sind in Mexiko! Was für ein Gefühl!

Das war, als ob man plötzlich allen Stress von sich wirft, tief durchatmet und denkt: JA! Wir sind angekommen.

Alles etwas (oder auch etwas mehr) chaotisch im Vergleich zu der uns bisher bekannten "ersten" Welt, in der alles sooo geregelt ist.

Hier hupt und quietscht es, die Leute laufen kreuz und quer, der Großteil der Autos auf den Strassen hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und überall sind diverse Strassenständchen, die ihre Waren anbieten, wie z.B. frisches Obst. Darauf komme ich aber später nochmal zurück.

Verkehr in Ensenada


Der Standard eines günstigen Hotel/Motelzimmers ist dann auch etwas, woran sich der verwöhnte Deutsche erstmal gewöhnen muss.

Nicht, dass es schmutzig wäre, aber die Einrichtung ist halt schon etwas einfacher, Vorhänge und Bettlaken, ebenso wie Waschbecken, Wasserhähne und Duschkopf (sofern vorhanden) scheinen irgendwie noch aus der Gründerzeit zu stammen. Alles in allem kann man sich aber nicht beklagen, so lange man eine anständige Matratze bekommt und der Rest funktioniert.

Da fällt mir eine Geschichte aus einem früheren Urlaub in Südfrankreich ein, wo wir in einer privaten Unterkunft ein Zimmer gebucht hatten.
Das Doppelbett in diesem Zimmer bezeichnen wir heute noch als das Bett mit der "Schwarzes Loch Matratze": So breit es auch war, es war in der Mitte so dermaßen durchgelegen, dass wir, wie von einem schwarzen Loch angesaugt, im Zentrum des Bettes zu einem Knäuel zusammengekullert lagen und so definitiv nicht schlafen konnten.

Ende des Abstechers nach Südfrankreich, zurück nach Ensenada.

Nachdem wir ein Zimmer gefunden hatten hieß es erstmal tief durchatmen und die Stadt erkunden. Durch die lärmenden Strassen schlendernd genossen wir das neue, aufregende Gefühl, in einer ganz anderen Welt angekommen zu sein.

In Long Beach hätte mir damals ein funktionierendes Mobiltelefon gute Dienste geleistet, wie aber schon erwähnt hatten unsere noch keine SIM Karten und dies sollte sich nun hier in Ensenada ändern. Als wir an einem Laden vorbeikamen, der offensichtlich diesen Dienst anbot, sind wir kurz entschlossen rein und - na ja, wir wussten ja nicht wie das hier funzt - hofften dass es nicht zu kompliziert werden würde.
Kompliziert war es nicht, nur für unser Verständnis etwas seltsam.
Im Einzelnen kann ich mich nicht mehr daran erinnern, was denn nun so seltsam war (vielleicht auch weil für uns das alles mittlerweile "normal" ist) aber Ihr kennt das bestimmt auch, wenn man sich nur noch an ein Gefühl erinnert, nicht aber an die Einzelheiten, die dieses Gefühl verursachten.
Fakt ist, wir hatten unsere eigenen, mexikanischen Telefonnummern.

Vorkriegsmodell Siemens is working...

Weiter durch die Strassen von Ensenada ziehend sind wir in den einen oder anderen Laden rein und alles, aber auch wirklich alles war anders als wir es gewohnt waren.

So auch die vorhin schon erwähnten Obststände.

Einige verkaufen einfach Obst.

Papayas, Mangos, Bananen, Ananas usw., natürlich alles sooo was von frisch, da läuft einem das Wasser im Munde zusammen und man bekommt Lust darauf, einfach alles sofort zu probieren.

Das machen sich wiederum andere Obstverkäufer zum Geschäft: Du gehst an einen der Stände, direkt am Straßenrand, die meistens mobil sind, ähnlich wie Schubkarren mit Aufbau, und bestellst Dir einen Becher mit einer Mischung frisch und mundgerecht geschnittener Obstsorten Deiner Wahl.

Das hört sich lecker an, nicht?

Doch nun der Kulturschock!!!

Der Verkäufer "würzt' das ganze wie selbstverständlich mit einer kräftigen Prise Salz und fragt Dich, ob Du noch etwas scharfe Soße (eine Mischung aus Essig und Chilisoße) darüber möchtest.

Und wie wäre es noch mit einer Handvoll "Cacahuate"?

Ähh, was bitte schön?

Na Erdnüsse...?

Ah,Ok, muss man alles mal probiert haben, dachte ich.

Für ein paar Pesos ("Peso" heißt übersetzt übrigens "Gewicht") ging der über den Rand hinaus gefüllte Becher dann über den, tja, nicht vorhandenen, Ladentisch.

Wer diesen Cocktail noch nie probieren durfte wird jetzt beim Lesen vermutlich innerlich würgen.

Links die würzige Version, rechts die "naturbelassene"



Ich kann Euch nur empfehlen nach Mexiko zu reisen, nur um dies (und noch einige anderen Leckereien, dazu kommen wir aber noch) zu schmackofatzen...

Und dann gab es da noch diese eine Bar mit den besonders leckeren Margaritas im Ballonglas (nix mimimi und so). Und Nachos. Bergeweise.

Hier ist der Name Programm

Gut geschultes Personal ist wichtig wenn es um Margaritas geht

Wer war wohl die Namensgeberin für diesen Cocktail?

Reicht für zwei Personen

No comment...

Diese Bar liegt an einer Strasse, an der sich auch viele Restaurants, Bars und Läden befinden, aber fast alles ist geschlossen.

Wahrscheinlich, so haben wir uns das jedenfalls versucht zu erklären, liegt das daran, dass bedingt durch den Immobiliencrash in den USA von dort nicht mehr so viele Touris kommen und die Läden deshalb einfach pleite gegangen waren.

Wie schade eigentlich.

Schon auf der Fahrt hierher fielen uns die unzähligen Bauruinen entlang der Strasse auf, die wir ebenso darauf zurück führten.

Ensenada bietet aber noch mehr als nur hektische Stadt und Margaritabars: Bei einem Spaziergang kamen wir an den Hafen, der uns für die gegebenen Verhältnisse viel zu groß vorkam.

Ok, einige Fischerboote und Segelboote konnten wir sehen als wir so die Hafenpromenade entlang schlenderten, dennoch: wofür so ein riesiges Hafenbecken?

Nur ein kleiner Ausschnitt des Hafens


Auch auf dem Hafengelände stand dann gleich die nächste Superlative, gefühlt direkt vor unserer Nase, aber doch ein paar hundert Meter entfernt: Die grösste Landesflagge, die uns je zu Gesicht gekommen war, wehte von einem Mast, der mich fast schon an die Bäume im Sequoia Park erinnerte.

Sie wehte mit Stolz!

Viva Mexico!


Wir waren fasziniert.

Nach nur einer Übernachtung sollte es auch schon wieder weitergehen.

An die östliche Küste der Baja, San Felipe hieß das Ziel.

Hierhin führt der Highway #3.

Fotostop auf der Fahrt nach San Felipe


Gut vier Stunden dauerte die Fahrt durch's Landesinnere, von der West- zur Ostküste, vorbei an weiten Flächen, übersät mit riesigen Felsbrocken, so dass man fast meinen konnte Obelix hätte hier "Murmeln" gespielt.

Obelix, du könntest ruhig mal wieder aufräumen!


Es war einfach nur beeindruckend!

An der Küste angekommen mussten wir eine Militärkontrolle passieren.

Soldaten.

Ungewöhnlich!

Gibt's denn Krieg oder was?

Die mit Maschinengewehren bewaffneten Soldaten wollten unsere Pässe sehen und fragten uns woher wir denn kämen (*Woher kommt diese eine Strasse wohl, Amsterdam oder was?* dachte ich. Dabei wollte er wohl unsere Herkunft wissen) und wohin wir wollten.

"Wir kommen aus Ensenada und wollen nach San Felipe" war unsere brave, ehrliche Antwort.

"Was ist der Zweck Eures Besuches in San Felipe?" (*Drogen verkaufen und einen Bürgerkrieg anzetteln* wäre hier wohl nicht die passende Antwort gewesen).

"Urlaub machen, wir sind Touristen!"

Er kontrollierte unsere Pässe, wünschte uns noch eine gute Fahrt und wir durften passieren.

Soldaten mit Maschinengewehren! Das würde uns keiner glauben.

San Felipe ist ein verschlafenes Fischernest.

Nur kein' Stress


Als wir mit unseren voll bepackten Moppeds, wir selbst dick eingepackt in GoreTex Klamotten, an der Strandpromenade anhielten drehten sich alle vier Köpfe zu uns um...

Ankunft in San Felipe


Der Kellner eines Restaurants machte dann auch gleich Werbung, von der wir zwar kein Wort verstanden haben, aber genau wussten, was er von uns wollte.

Ok, erstmal 'ne Coke.

Man beachte das Schild am rechten Pfosten! Dennoch gab's erstmal nur eine Coke...


Der weite, breite Strand war direkt vor unseren Augen und lud mit seinem feinen Sand zum Sonnenbaden und das Meer zum Schwimmen ein.

Eine Erfrischung nach der langen Fahrt


Wir suchten uns ein Hotelzimmer.

"Wozu hatten die denn ihr Zelt mit", werdet Ihr Euch jetzt fragen, "wenn sie ständig in Hotels übernachten? Wo bleibt das Abenteuer?"

Uns ging es nicht darum irgendwelche Rekorde im Campen zu brechen, nur damit wir besonders viel "Abenteuer" hätten.

Der Sinn der Reise war, einen Platz zum Leben zu finden, und nicht im Guinnessbuch der Survivalkünstler zu erscheinen.

Gemütlich sollte es sein, und wenn es sich ergibt, dann wird auch gezeltet.

Mit dem Hotelzimmer hatten wir dann auch richtig Glück, es war günstig, sauber und ruhig, und wieder einmal konnten wir unsere Motos im Innenhof, direkt neben dem Hotelpool, parken, wo sie sicher waren.

Selbstauslöserfoto - ich musste ganz schön rennen


Insgesamt fünf Tage blieben wir hier, beobachteten die Fischer, die bei Ebbe ihre Boote spektakulär mit ihren PickUp Trucks aus dem Wasser zogen, gingen abends dann für umgerechnet 5 Euro p.P. einen kompletten Fisch mit reichlich Beilagen im Restaurant essen und wir hatten ausreichend Zeit, die Weiterreise zu planen.

Abschleppdienst

"GEHAS"


Laut 'Lonely Planet' sollte die Strasse, die von San Felipe in Richtung Süden an der Küste weiterführt und nach ca. 220 km wieder auf den gut ausgebauten Highway nach Süden trifft, sehr bald von gut geteert zur Sandpiste werden.

Cool, dachten wir! Endlich mal offroaden...

10.Oktober 2011, früh morgens.

Auschecken vom Hotel, die Bikes waren schon beladen, nichts stand dem Abenteuer "Offroad, Klappe, die erste" im Wege.

Die Ausgabe des 'Lonely Planet', die wir dabei hatten war aktuell.

Aber dennoch stimmten die Angaben nicht mit der Wirklichkeit überein.

Fast schon enttäuscht sahen wir Kilometer für Kilometer frisch geteerter, gut ausgebauter Strasse unter unseren Rädern dahinfliegen.

Von Offroad keine Spur!

Bis auf ein paar baustellenbedingte Unterbrechungen mit Umleitung durch's Gemüse...

Die Enttäuschung wich dann aber abrupt wieder der Aufregung.

Die Fahrbahn vor uns hörte ohne Vorwarnung plötzlich einfach auf und es schien so (na ja, es WAR so) als stünden wir mitten in der Wüste.

♬ It's the end of the road as we know it...♬


Ok, zu unserer Linken konnten wir in einiger Entfernung das Meer sehen, aber ansonsten - nur Sand!

Jupp! Jetzt sollte der Spaß losgehen!

Da strahlt'se noch


Wir sind beide keine erfahrenen Offroader.

Vorsichtshalber hatten wir in Deutschland noch ein Fahrsicherheitstraining absolviert , bei dem uns die Basics beigebracht wurden, aber das war's dann auch mit unseren Offroad Kenntnissen.

Strasse gab's nun keine mehr, man konnte lediglich erahnen, wo die meisten Fahrzeuge sich vor uns ihren Weg gebahnt hatten.

Das war noch ein guter Abschnitt, danach war ans Fotografieren nicht mehr zu denken


Der Untergrund wurde extrem schwierig.

Erst nur Sand mit ein paar Felsen, doch bald schon wechselte die Festigkeit des Sandes hin in Richtung Tiefsand.

Es war sehr anstrengend für uns mit den doch relativ schweren Kisten anständig vorwärts zu kommen, zumal es auch noch bergauf und bergab ging mit besagt wechselndem Untergrund und immer wieder Felsen im Weg.

Einige wenige Autos überholten uns.

Ein paar hielten kurz an und fragten ob wir Hilfe bräuchten.

Sahen wir denn sooo verloren aus?

"Nein, danke! Wir kommen schon klar!"


Irgendwo zwischen San Felipe und dem Ende der geteerten Strasse liegt Puertecitos, wo wir einen kurzen Stopp eingelegt hatten.

Puertecitos.Hier trafen wir noch ein paar echte Offroader, die uns dann später nochmal begegnen sollten.


Dort trafen wir auf eine Gruppe von Jungs auf höhergelegten (*Neid*!) Enduros, ohne viel Gepäck, die in die gleiche Richtung unterwegs waren wie wir.

Kurz hatten wir uns mit ihnen unterhalten, sind dann aber vor ihnen schon weitergefahren.

Keine Ahnung wie lange diese Jungs sich noch, nachdem wir weitergefahren waren, dort aufgehalten haben.

Wir kämpfen im Tiefsand um jeden Meter, unsere Geschwindigkeit liegt bei etwa 5km/h, als wir plötzlich dieses typische, aggressive Motorengeräusch von ein paar Enduros hinter uns hören.

Da waren sie wieder, die Jungs von vorhin und flogen (im wahrsten Sinne des Wortes) mit atemberaubender Geschwindigkeit über unsere Köpfe hinweg.

Einer bremste kurz um zu fragen ob wir ok wären.

"Alles klar bei uns. Euch noch viel Spaß!"

Tatsächlich war gar nicht alles so klar, wie es hätte sein sollen.

Die Strecke schien immer schwieriger zu werden und wir waren schlichtweg überfordert.

Das Zelt! Wir hatten doch das Zelt dabei!

Wir könnten es uns ganz gemütlich machen, hier übernachten und den Rest der Strecke, von dem wir nicht wussten, wie weit das noch war, geschweige denn in welchem Zustand die vor uns liegende Piste sich befand, am nächsten Tag fahren.

Sollten wir einfach das Zelt aufschlagen?


Ein Liter Trinkwasser im Gepäck war das deutlichste Gegenargument, das wir uns nur vorstellen konnten.

Wir pausierten erstmal und wägten unsere Möglichkeiten ab.

Die Entscheidung fiel uns nicht ganz leicht, aber wir beschlossen wieder umzukehren und nach San Felipe zurück zu fahren, dort noch einmal zu übernachten um dann am Tag darauf den gesamten Weg nach Ensenada zurück und von dort aus dann in Richtung Süden weiter zu fahren.

Sind dann so in etwa 600 km Umweg...

Total erschöpft checkten wir am selben Tag im selben Hotel nochmal ein, in dem wir morgens erst ausgecheckt hatten.

Erstmal im Pool abkühlen und dann auf ein Bierchen ins Dorf.


Auf dem Weg zurück nach Ensenada mussten wir durch eine Militärkontrolle...

Der Highway ist geteert!


Habt Ihr jetzt das Gefühl von etwas Wüstensand zwischen den Zähnen, so wie wir das damals hatten? Dann freut Euch auf einen weiteren Bericht aus "Margaritaville".

♬Verflucht, sacramento, Dolores, und alles ist wieder hin♬... (na, habt Ihr 'ne Melodie im Kopf?) 

Gern geschehen.

Die östliche Route ist die, von der der heutige Bericht erzählt. Die westliche kommt in einem der nächsten dran...


"La ruta es la meta" (Konfuzius)

In diesem Sinne bis bald,

Euer Sonne-im-Visier Team


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