8. Die Nackte Dolores 3¼

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Zurück nach Ensenada

"Wo kommt Ihr her?" fragte der junge Soldat am Militärkontrollpunkt.

"Aus San Felipe."

Den Rest könnt Ihr Euch ja denken.

Ich muss auf jeden Fall sagen, dass die Jungs mit ihren gefährlich aussehenden Maschinengewehren sehr freundlich waren und auch dieses Mal durften wir unbehelligt weiterfahren.

Die Landschaft zwischen San Felipe und Ensenada hatte sich in den paar Tagen nicht verändert, also schneller Sprung vorwärts nach Ensenada.

Ein zweitägiger Aufenthalt war eingeplant, um mal Wäsche zu waschen etc.

Ok, WIR zwei hatten so geplant.

Dolores hatte andere Pläne...

Wieder einmal schlenderten wir so durch die Stadt, da fiel uns einer der Straßenverkäufer auf, der kein Obst sondern "Ceviche" anbot.

Dem, der's kennt, wird jetzt vermutlich das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Denjenigen, die nicht wissen was Ceviche ist, muss ich auch hier wieder ans Herz legen, Mexiko zu bereisen.

Ceviche gibt es in verschiedenen Varianten: Entweder mit Fisch, Garnelen, Muschelfleisch (welches zumeist von der Riesenfechterschnecke stammt) oder aber auch einer Kombination aus alldem.

Eigentlich ist es ähnlich zubereitet wie ein Carpaccio, aber eben nur ähnlich.

Aus Limetten, Tomaten, Zwiebeln, Koriander,Chili,Essig und Olivenöl wird eine Marinade zubereitet, welche mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker gewürzt wird. Der (rohe) Fisch oder auch Garnelen etc. und, je nach Geschmack auch Avocado, wird in kleine Würfelchen geschnitten und mit der Marinade vermengt.

Fertig!

Ceviche


Ceviche stammt im Original aus Peru, aber mittlerweile ist es auch ein mexicanisches Nationalgericht.

Dazu serviert werden Nacho Chips oder "Saladitas".

Kennt Ihr noch die TV-Werbung mit dem Sedlmayer Walter für "TUC" Kekse? Das in etwa sind "Saladitas".

Ich dachte zuerst, das müsse etwas mit Salat zu tun haben, aber der Name kommt von "Sal", also Salz - Salzige Kekse. In Kombination mit der Ceviche (und einer cerveza) ein Geschmackserlebnis pur!

Da der Ceviche-Verkäufer aber kein Bierchen im Angebot hatte, machten wir uns auf den Weg in die Bar wo es die leckeren Margaritas gab (nicht die mimimis).

Schon als wir in die Strasse einbogen, in der sich die Bar befindet, sowie die vielen geschlossenen Läden -

- Moment mal! -

Was war denn hier plötzlich los? Hier geht's ja zu wie auf dem Jahrmarkt!

Die Leute sind sich beinahe gegenseitig auf die Füsse getreten, so voll war es hier.

Ganz im Gegensatz zum letzten Mal als wir hier waren, hatten alle Läden geöffnet und wir staunten nicht schlecht über das vielseitige Angebot.

Nachdem wir etwas "window shopping" gemacht hatten sind wir auf ein Bierchen in die Bar. Danach wollten wir einfach noch ein wenig spazieren gehen.

Richtung Hafen, dachten wir.
Ein wenig auf einer der Parkbänke abhängen und Leute gucken.

Leute gucken macht Spaß!

Schon aus einiger Entfernung sahen wir es.

Die Erklärung für so manche Ungereimtheit: das riesige Hafenbecken, die geschlossenen, nun aber geöffneten Geschäfte und der plötzliche Ansturm auf dieselben.

Über die Dächer der meisten Häuser, die zwischen uns und dem Hafen standen, ragte es hinaus:

Ein Kreuzfahrtschiff!

Am Hafen selbst war dann auch noch eine Art kleiner, sehr belebter Fischmarkt mit ein paar Garküchen. Zwischen diesen hindurch gingen wir hin zur Promenade, haben's uns auf einem der Bänkchen bequem gemacht und das riesige Schiff bestaunt.

Und Leute geguckt.


Die Dolores zickt schon wieder.

Mein größter Alptraum wird wahr: Wir müssen in eine mexikanische Werkstatt.

Im Waschsalon fragten wir die Inhaberin, ob sie uns denn eine gute, vertrauenswürdige Werkstatt empfehlen könne.

Leider erinnere ich mich nicht mehr an ihren Namen, aber diese Person war sowas von nett und hilfsbereit!

Sie selbst fuhr kein Motorrad, also kannte sie sich mit den Werkstätten nicht aus, aber sie telefonierte herum und konnte uns daraufhin eine empfehlen.

Werkstatt.

Erinnert Ihr Euch an die Bilder von der in Long Beach? Genau so sah die hiesige - nicht aus!

Nicht ganz so wie in Long Beach...


Señor Orozco, der Inhaber, sprach nur spanisch. Meins war nicht ausreichend um ihm das Problem zu schildern ( selbst in einer deutschen Werkstatt hätte ich nur sagen können: "Klingt sch**sse, braucht zu viel Benzin und zieht nicht richtig, und, ach ja die Zündung hat manchmal Aussetzer").

Zu meinem Glück war ein Kunde da, der englisch sprach und gerne dolmetschte.

Der Schrauberlix war ein sehr freundlicher, geduldiger Herr .

Wir hatten fast schon Spaß miteinander, wäre da nicht die Sorge um die Zicke Dolores gewesen.

Er würde es sich mal genauer anschauen, sagte er.

"Keine Angst, das kriegen wir schon hin"


Also ging's los: Erstmal den Tank und die Sitzbank runter damit man an den Vergaser drankommt, der musste schließlich genauer unter die Lupe genommen werden...

                             Mal wieder auf dem OP-Tisch


So ging es weiter. Ich durfte dabei zusehen, wie er meine Dolores Stück für Stück nackig machte.

Ich habe damals viel technisches Spanisch gelernt, mein Lieblingswort war "carburador", zu deutsch "Vergaser".

Auch der Zylinder wurde ausgebaut und zerlegt, die Kolben und Ventile genauestens untersucht.

Nun war sie echt nackig, die Gute!

Fast schon nichts mehr dran

Die ausgebauten Teile schienen in der gesamten Werkstatt verteilt zu sein. Ob er die Dolores je wieder zusammen bekommen würde?

Fragt mich nicht mehr nach der genauen Diagnose, es war eine von vielen, die noch kommen sollten...

Ersatzteile mussten her. Die aber gab es nicht in Mexiko.

Wir standen vor der Wahl: Selbst nochmal zurück nach San Diego fahren um sie dort persönlich abzuholen, das wäre theoretisch an einem Tag zu schaffen gewesen.

Die andere Möglichkeit war, zu warten bis sie jemand mitbringen würde.

Viel angenehmer!

Nur dauert das so etwa 4 Tage.

Ach nee, echt jetzt? Wir möchten doch weiter!

Dennoch entschieden wir uns für Option zwei. Wir hatten ja Zeit. 180 Tage für ganz Mexiko.

Also blieben wir in Ensenada.


Es war so gegen Ende Oktober, also so gaaanz grob Vorweihnachtszeit.

Wir sitzen in einer Bar und trinken - nein, keine Margaritas - ein Gläschen Bier (ausnahmsweise mal nicht direkt aus der Flasche).

Corona"Mass"nahme

Da strahlt einer...

Ein Typ spricht uns auf englisch an, wo wir denn her wären.

So kamen wir ins Gespräch. Er war US Amerikaner, lebte aber schon seit einigen Jahren in Ensenada.

Eine Einladung zu einer Tour in seinem Auto durch die Stadt nahmen wir dankend an.

Komisches Gefühl, mal wieder in einem Auto zu sitzen, nach nunmehr fast zwei Monaten auf unseren, doch recht unbequemen, Endurositzbänken.

Er zeigte uns Ecken, die wir vermutlich nie gefunden hätten, wir gingen in die eine oder andere Kneipe, hatten Spaß.

Vorweihnachtszeit. Erwähnte ich bereits, ich weiß!

Ob wir denn Hunger hätten, fragte uns unser "Tourguide".

"Jip, haben wir. Was kannst du uns denn empfehlen?"

"Tamales".

Wie bitte, was bitteschön?

Tamales oder "Nacatamales"wie sie auch genannt werden,  werden traditionell zu Weihnachten zubereitet (ja, es war noch nicht Weihnachten, aber wann gibt's in Deutschland die ersten Lebkuchen im Supermarkt? Also!).

Sie bestehen aus einem Maisteig (ich würde sagen, ähnlich wie Polenta) der, nach Belieben mit Käse, Fleisch und/oder Gemüse vermischt, in Maisblättern oder Bananenblättern eingewickelt, gekocht wird.

Tamales


Noch ein Grund nach Mexiko bzw. Zentralamerika zu reisen!

Der Typ nahm uns mit zu einer befreundeten Familie und wir waren als Gäste herzlich willkommen zum Tamales essen.

Danach, es war schon dunkel, fuhren wir noch auf einen Hügel außerhalb der Stadt und genossen den wunderbaren Blick auf die blinkenden Lichter Ensenadas.

Oh what a night!

Bei den unzähligen Besuchen in der Werkstatt schien die Dolores immer mehr auseinander gebaut zu sein und stand, fast nicht wieder zu erkennen, nackig und ungeschützt am Straßenrand zwischen vielen anderen Bikes und Quads.

Ob sie je wieder die alte wäre?

Keine Angst, die klaut so keiner     


Doch dann, eines schönen Tages kam die erlösende Nachricht: Fertig!

Señor Orozco hatte kein gutes Wort für seine Berufskollegen aus Long Beach übrig und schilderte mir, was die seiner Meinung nach gepfuscht hätten.

Ich war ziemlich wütend, muss ich gestehen, und schmiedete Rachepläne.

Nicht etwa gleich Bombenanschläge oder ähnliches. Nein, ich dachte, vielleicht kann ich sie dazu verdonnern mir mein Geld zurück zu bezahlen.

Also bat ich den netten Herrn mir doch so etwas wie einen Mängelbericht auszustellen.

Dies machte er gerne und auch sehr ausführlich.

(Vor etwa zwei Jahren, also 2018, hab ich in meinen Ordnern mal "tabula rasa" gemacht und mit einem Augenzwinkern genau dieses Schreiben unbenutzt weggeworfen...)

Nun sollte sie aber wieder schnurren, meine - na, wie soll ich sie denn noch nennen? Dolores halt.

Die Probefahrt verbanden wir mit einem Ausflug zur "Bufadora", einer sogenannten "Gezeitenfontäne".

Mit hohem Druck schießt Meerwasser, das von einer Welle in eine Art Felskamin gedrückt wird, fast schon wie ein Geysir in die Höhe.

Ein faszinierendes Naturschauspiel.


Probefahrt bestanden, wieder zurück in Ensenada.

Im Lonely Planet fand Conny eine Info über ein Gebäude, das früher mal ein Hotel und Casino war in dem angeblich Al Capone regelmäßig abgestiegen sein soll. Heute findet man hier das "Museo de Historia de Ensenada und - eine Bar.

Nicht irgendeine Bar.

Die Bar Andaluz.

Es heißt, es wäre die Bar, in der einst ein Spanier zu Ehren einer geliebten Dame ein Cocktailrezept entwickelte, das er nach ihr benannte:

"Margarita"

Im altehrwürdigen Gemäuer dieser Anlage konnte man diese Zeit fast noch fühlen und wir machten uns auf die Suche nach besagter Bar.

Es dauerte nicht lange und wir standen vor dem Barkeeper, der uns die Geschichte des originalen Margarita gerne detailliert (vermutlich auch noch etwas "aufgepeppt") erzählte.

Ob wir denn einen haben möchten, fragte er uns.

Ein Blick auf die Uhr: 11 Uhr vormittags.

Conny und ich schauten uns gegenseitig an :

🎼♬Pour me something big and strong...♬♬...

...♬it's five o'clock somewhere!♬ ( gern geschehen!)

Eine der wichtigsten Zutaten ist frisch gepresster Limettensaft. Hierzu braucht man - na?

Richtig! Limetten!

Diese muss man einmal in der Mitte durchschneiden. Hierzu benutzt man - na?

Richtig! Ein Messer!

Und dieses sollte scharf sein, damit man einigermaßen Spaß an der Arbeit hat.

Seins war alles andere, nur nicht scharf.

Eine Weile lang hab ich ihm mitleidig zugeschaut.

"Hier nimm meins" sagte ich und hielt ihm mein Taschenmesser entgegen., schließlich wollten wir noch vor siebzehn Uhr was zu trinken bekommen.

Er schnitt dann auch gleich noch ein paar der leckeren Früchte auf Vorrat und mixte uns, nachdem er mir mein Messer frisch gespült zurück gegeben hatte, unsere Drinks.

Wow! Sooo lecker!

So kamen wir also in den Genuss, DEN Originalmix dieses berühmten Cocktails probieren zu dürfen.

Moppedfahren danach? Undenkbar.

Während wir so an der Theke saßen erzählte uns der Barkeeper noch so ganz nebenbei, dass er trockener Alkoholiker sei.

Mutige Berufswahl!

Auch noch eine nette Ensenada-Anekdote:

In der Nähe des Hafens entdeckten wir eine Pizzeria und beschlossen, dort Abend zu essen. Ein Blick auf die Karte verhieß Gutes.

Jeder von uns bestellte eine Vorspeise und eine Pizza, so wie wir es in Deutschland auch gemacht hätten.

Irgendwie kam mir der Blick des Kellners bei der Bestellung schon etwas komisch vor.

Verständigungsprobleme, kulturelle Unterschiede oder weiß ich was, keine Ahnung weshalb der jetzt so komisch guckt.

Spätestens als die Vorspeise auf den Tisch kam verstand ich diesen Blick.

Ich meine, er hätte uns ja auch sagen können, dass sowohl die Vorspeise ein Hauptgericht für 2 Personen war und die Pizza um so mehr.

Aber Kundenwunsch ist nun mal Kundenwunsch!

Übervoll, kaum in der Lage tief einzuatmen (da war kein Platz mehr für eine volle Lunge) bestellten wir die Rechnung und ließen eine komplette Pizza zum Mitnehmen einpacken.

Den Rest der anderen, hauptsächlich die Ränder, ließen wir zurück gehen.

Zurück gehen.

Das war auch unser Plan, gefühlt eher zurück rollen, und zwar ins Hotel. Verdauungsschlaf halten.

Die Pizza würden wir am nächsten Tag sicher nicht essen, also dachten wir: Es gibt viele arme Leute, wir geben grundsätzlich kein Geld, aber falls einer Hunger hat, heute Abend gibt es Pizza.

Nach ein paar hundert Metern trafen wir auf eine Person, von der ich bis heute nicht weiß ob es nun Männlein oder Weiblein war, die am Straßenrand Blumen verkaufte.

"¿Tienes hambre?"-"Hast Du Hunger?"

"Si!"

Und schon hatte die Pizza ihre Bestimmung gefunden.

Der/die Blumenverkäufer/in war so dankbar, dass er/sie uns einen kleinen aber feinen Blumenstrauß in die Hand drückte.

Die Pizza wurde sofort gegessen...

Nun waren wir im Besitz eines Blumenstrausses.

Wir wollten am nächsten Tag weiterfahren, da hätten wir diesen bestimmt nicht mitnehmen können.

Wegwerfen kam nicht in Frage.

Da fiel uns die nette Dame von dem Waschsalon ein, die uns schon des öfteren geholfen hatte.

Mit einem kurzen Abstecher bei ihr, bevor wir in Richtung Süden weiterfuhren, verabschiedeten wir uns und schenkten ihr die Blumen.

Nun waren wieder ein paar Menschen mehr glücklich!

So auch Conny.

Sie machte, glaube ich, drei Kreuze als wir die Stadtgrenze von Ensenada hinter uns hatten. War ihr der Aufenthalt dort doch einfach zu lang.

Obwohl ihre Ente hier 'nen neuen Hinterreifen bekam...

Die Ente durfte sich auch mal "profilieren"


Nach Süden sollte es weitergehen. Erneut durch die Wüstenlandschaft der Baja California...

...auf besseren Strassen allerdings!


Ihr freut Euch sicher schon auf weitere Stories, ich hol' mir jetzt 'ne Pizza (y, quien sabe, tal vez acompañado de una margarita)!

Viel Spaß beim Übersetzen und bis bald,

Conny, Pepe, die Ente und, last but not least: Dolores


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Gut oder geht so?!?

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  1. Vielen Dank, dass Ihr uns auf Eurer Reise mitnehmt. Die Berichte sind wunderbar geschrieben und ich freue mich auf mehr. Peter sollte Bücher schreiben aber weiter auch Guide bleiben, wenn Reisen irgendwann wieder möglich sein sollte.
    Liebe Grüße
    Dagmar

    1. Liebe Dagmar, ganz herzlichen Dank für Deinen tollen Kommmentar!
      Wir freuen uns, daß Du dabei bist und die Fahrt genießt! Zwei neue Berichte sind gerade druckfrisch veröffentlicht!
      Alles Liebe,
      Pepe + Conny

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