37. „Die Alte“ liegt Südwest…

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Alta Verapaz


Was war nochmal der Grund weshalb wir diese Reise unternommen hatten?

Ach ja, ein Plätzchen zu finden, wo wir in Zukunft leben wollten.

Manchmal mussten wir uns selbst wieder daran erinnern, fühlte sich der Trip doch an wie Urlaub.

War er ja in gewisser Weise auch.

Zumindest Orte wie Lanquín, die ja per se nicht in unserem eigentlichen Fokus lagen, die wir aber auch nicht ungesehen links liegen lassen wollten wenn wir schon mal in der Gegend waren und diese Orte quasi auf dem Weg lagen.

Könnten wir uns dennoch, rein hypothetisch, vorstellen hier zu leben?

Lanquín und die Umgebung drumherum ist schön, keine Frage.

Selbst wenn wir ein gutes Business eröffnen würden, wir würden uns sicher sehr bald ‚zu weit ab vom Schuss‘ fühlen.

Außerdem wollten wir in die Nähe des Meeres ziehen und somit fällt Lanquín sowieso flach.

Drei Nächte waren ausreichend.

Gegen halb zehn morgens packten wir die Koffer in unser Viererle und starteten mit gemischten Gefühlen in Richtung der geteerten Strasse.

Zuerst galt es natürlich noch einmal die 11km Schotterpiste hinter uns zu bringen, aber daran waren wir ja nun schon gewöhnt.

Unser grobes Ziel war die ‚Stadt des ewigen Frühlings‘, Antigua.

Antigua ist bekannt für seine vielen Sprachschulen. In einer von denen wollten wir einen Spanischkurs belegen.

Erleichtert, endlich wieder asphaltierte Strasse unter die Räder zu bekommen genossen wir die herrliche Landschaft um uns herum, die sich kontinuierlich veränderte, während sich die Strasse von den 350m in Lanquín langsam aber stetig in das 'Departamento Alta Verapaz' auf etwa 1400m hochwand.

Nach ungefähr anderthalb Stunden Fahrt erreichten wir auf dieser Höhe die Stadt Cobán.

Diese Stadt und deren Umfeld lebt überwiegend vom Kaffeeanbau.

Die Vegetation hier erinnert ein wenig an die in Deutschland.

Vermutlich war dies auch ein Grund dafür, dass ab der Mitte des 19. Jahrhunderts viele Deutsche dorthin auswanderten. Angeblich leben noch heute etliche Nachkommen von ihnen in Cobán.

Als der Erste dieser deutschen Einwanderer nach Cobán galt ein gewisser Rudolf Dieseldorff.

Im Reiseführer fand Conny die Adresse einer Kaffee-Finca, die Besichtigungstouren anbietet.

Über dem Eingang der ‚Finca Santa Margarita‘ hängt ein fast schon unscheinbares Schild mit der Aufschrift ‚Casa Dieseldorff‘.

Und an der Tür die Öffnungszeiten.

Wir waren ein klein wenig zu spät. Es war Mittagspause.

Sollten wir warten, bis diese vorüber ist, oder weiterfahren?

„Lass uns irgendwo rein sitzen, auf einen Kaffee oder so, dann haben wir etwas Zeit und können es uns überlegen“ schlug Conny vor.

Warum nicht, dachte ich.

Natürlich hatte sie schon eine Location im Kopf, auch wieder ein Vorschlag aus dem Reiseführer: Das Xkape Kob‘an.

Von außen ein kleines, eher unscheinbares Café.

Hinter dem Café ein dicht bewachsener Garten mit Tischen und Stühlen und jeder Menge Kunsthandwerk.

Idylle pur.

Die paar wenigen Gerichte auf der Speisekarte lasen sich wie direkt von den Mayas geschrieben.

Conny bestellte sich ein Stück hausgemachten Kuchen, mir war eher nach etwas Herzhaftem zumute.

Laut ‚Lonely Planet‘ sollte hier der Kaffee ‚köstlich‘ sein, also bestellten wir zwei Tässchen.

Während wir auf unser Essen warteten schauten wir uns ein wenig im Garten um.

Das war wie durch einen Blumenladen zu schlendern.

Für Conny als Keramikermeisterin besonders interessant waren die unzähligen Tongefässe, die nicht nur in den Regalen zum Verkauf ausgestellt waren, sondern in denen auch unser Essen serviert wurde.

Der Kuchen war ungewohnt für unseren deutschen Geschmack, aber sehr lecker.

Ich hatte Kaq' ik, eine Art Truthahnsuppe/eintopf bestellt und leckte zum Schluss den rustikalen Tontopf aus.

Der Kaffee konnte unsere Erwartungen leider nicht erfüllen. 

Man sollte mich beim Essen wirklich nicht fotografieren! Aber es hat super geschmackofatzt...

Trotzdem würden wir, sollten wir Cobán nochmal besuchen, auf jeden Fall wieder hier her kommen.

Nun musste eine Entscheidung getroffen werden: Nochmal zur Finca oder weiterfahren?

Ein Blick auf die Uhr - weiterfahren!

Nicht etwa weil wir es eilig gehabt hätten, unser nächster angepeilter Stopp lag nur ungefähr 50km entfernt, sondern weil wir schon ganz gespannt waren auf das Hotel, das Conny uns für diese Nacht ausgesucht hatte.

Romantik pur


Ram Tzul, was in der Mayasprache soviel wie ‚Der Geist des Berges‘ bedeutet, gilt als das schönste Hotel in der Region Verapaz.

Davon wollten wir uns selbst überzeugen.

Die erstaunlich gut ausgebaute CA14 führte uns von Cobán aus noch etwas höher, auf etwa 1700m, zunächst durch Purhulá, danach vorbei am ‚Biotopo Del Quetzal‘, einem mehr als 1000 Hektar großen Naturschutzgebiet, zum Hotel, das irgendwo im Nirgendwo zu stehen scheint.

Keine Ortschaft weit und breit, Natur pur soweit das Auge reicht.

Grün so weit das Auge reicht. Und mittendrin das Hotel Ram Tzul

Elegant rustikal würde ich den ersten Eindruck des Hotels beschreiben.

Anders als viele Hotels bietet das Ram Tzul nicht viele Zimmer in einem Gebäude an, sondern, ähnlich wie das Hotel in Lanquín (nur viel exklusiver) sind mehrere Bungalows auf dem piekfein gepflegten, an einem Hang gelegenen Gelände verstreut.

Wir bekamen einen dieser Bungalows für uns alleine.

Schon beim ersten Blick in das riesige Zimmer fiel auf: Hier hatten die Architekten Ahnung von ihrem Job!

Raffiniert gebaut, mit zwei überdimensionalen und mehreren kleinen, teils farbigen Fenstern, war der Raum lichtdurchflutet und man hatte eine fantastische Aussicht auf die umliegende Natur.

Echt gemütlich!

Nichts war feucht oder gar muffig, obwohl die Anlage im Nebelwaldgebiet liegt.

Auch hier fanden wir zwei Betten vor, die, getrennt durch einen Tisch, weit auseinander standen.

Matratzencheck: Erste Sahne!

Tisch weg und Betten zusammen schieben!

Dann ab in den Garten.

Hübsche Gewächse, findet Ihr nicht?!?

Exotische Pflanzen wohin man auch schaute, Orchideen, meterhohe Farne und - Kiefern.

Passt irgendwie nicht zusammen, dachte ich.

Und als wäre das noch nicht genug, gesellte sich auf dem Spaziergang noch ein Pfau zu uns.

Es dämmerte und wir machten uns auf ins Restaurant.

Dieses befindet sich In einem großen Bambusgebäude.

Auch hier schien die Devise: Elegant rustikal.

Mit viel Liebe und Gefühl fürs Detail eingerichtet

Ein paar einfach aber hübsch gedeckte Tische standen fast schon verloren in dem riesigen Raum, Blumenampeln mit Farnen hingen von der Decke, bzw. von den Bambusträgern.

Hier eine Galerie, dort ein halbrunder Erker und auf der anderen Seite eine Empore, man konnte sich kaum satt sehen.

Außer uns waren keine Gäste da, also suchten wir uns einen hübschen Tisch für‘s Abendessen aus. Der Kellner brachte die Speisekarte und fragte ob wir denn schon etwas zu Trinken bestellen wollten.

Als wir so da sassen und die Karte durchschauten wurde uns beiden - kalt!

Fast schon schlagartig fiel die Temperatur nachdem die Sonne untergegangen war.

Und wir sassen gegenüber der offen stehenden Eingangstür.

Kalter Wind strömte herein.

Ich stand auf und schloss die Tür.

Conny fror dennoch.

Ich auch, zugegebenermaßen.

Als der Kellner unsere Getränke servierte muss ihm dies aufgefallen sein.

Ob wir gerne an einen anderen Tisch sitzen wollten, fragte er.

Also setzten wir uns um.

In die Nähe einer - Feuerstelle!

Mitten im Raum.

Besser gesagt, in einem Erker.

Der Kellner besorgte Brennholz und kurze Zeit später knisterte ein wohlig wärmendes Feuer neben unserem Tisch.

Romantik Level: 1000

Nach dem Essen ließen wir den Abend bei einem Glas Wein auf den Sitzkissen im Erker sitzend, die Füsse dem Feuer entgegenstreckend, ausklingen.

Da ahnte ich noch nicht, dass wir hier am Abend vor einem knisternden Feuer sitzen würden...

Was für eine feine Station für ‚nur‘ einmal übernachten!

Wären wir länger geblieben, aber das passte nicht in unseren Plan, hätte es hier noch viel zu entdecken gegeben: Bambuswälder, das Biotop, Wasserfälle und wer weiß was sonst noch.

Vielleicht kommen wir ja mal wieder hier her.

Verkehrschaos pur


Nach einer ruhigen, erholsamen Nacht (unter relativ dicken Bettdecken) machten wir uns erneut auf den Weg, weiter auf der CA14 immer in Richtung der großen Stadt, der Hauptstadt, Guatemala City.

Ihr kennt mich bereits gut genug um zu wissen, dass große Städte mich eher abstoßen.

Aber da mussten wir durch. Sprichwörtlich.

Drei Stunden nachdem wir vom Ram Tzul aus losgefahren waren sahen wir die Skyline schon von Weitem.

Guatemala hat insgesamt etwa 16 Millionen Einwohner, eine Million davon lebt in der Hauptstadt.

Um nach Antigua, unserem nächsten Wunschziel zu kommen mussten wir ‚Guate‘ City durchfahren.

Conny hatte die Landkarte auf dem Schoss während ich unser Viererle durch die wuselige Stadt mit den gefühlt 15 Spuren bugsierte.

Verrückt lackierte Busse stießen schwarze Rauchwolken aus, immer wieder musste ich für Hunde bremsen, die versuchten durch den dichten Verkehr auf die andere Straßenseite zu kommen, wofür auch immer.

In diesem Chaos als Ortsfremder den Überblick zu behalten ist nicht einfach.

Da! Ein Schild, das versprach, dass wir auf dem richtigen Weg waren.

Kurz darauf gabelt sich die Strasse.

Kein weiteres Schild.

50/50 Chance.

Nach ein paar weiteren Kilometern waren wir zwar außerhalb des Zentrums, aber offensichtlich doch auf der falschen Strasse.

Also nochmal rein ins Gewusel.

Müssen wir da vorne rechts, links oder geradeaus???

So ging das ein paarmal.

Immer mal wieder hielten wir irgendwo an, um entweder die Landkarte in Ruhe zu studieren oder auch mal nach dem Weg zu fragen.

Irgendwann waren wir trotzdem ziemlich verloren.

Conny ist echt gut im Navigieren nach der Landkarte, aber wir wussten irgendwann nicht mal mehr, wo genau wir uns in diesem Moloch befanden.

Schlussendlich kam uns dann der Kompass zu Hilfe, der im Viererle eingebaut war.

Dank dessen konnten wir wenigstens bestimmen in welche Richtung wir unterwegs waren und wir wussten, dass Antigua südwestlich von Guate liegt.

Nach anderthalb Stunden Großstadtchaos konnten wir dann aber doch endlich aufatmen, als wir ein Schild sahen, auf dem stand:


"Sie haben ihr Ziel erreicht"


Kaum mehr als zwanzig Minuten später erreichten wir Antigua.

Hübsche Häuser, Kopfsteinpflaster, Menschen sowohl modern gekleidet als auch in traditioneller Tracht.

Und jede Menge Touristen.

Die ersten Eindrücke waren positiv.

Mitten im Zentrum, in einer der engen Einbahnstraßen, fanden wir das Hotel ‚Posada Don Diego‘ ganz ansprechend. Zentrale Lage, angenehmer Preis und vom Reiseführer empfohlen.

Nur, wohin mit unserem nun nicht gerade kleinen Auto?

Draußen vor dem Hotel auf der ohnehin schon (trotz Parkverbot) recht zugeparkten, engen Strasse?

Dieses Risiko wollten wir nicht unbedingt eingehen und auch der Hotelbesitzer riet uns davon ab.

Kurzerhand bot er uns einen Stellplatz in seiner Garage an.

„Garage? Wo soll die denn sein?“ fragte ich, mich verwundert umschauend.

Er ging zu einer Tür, die ich für die Eingangstür des Cafés hielt, das zum Hotel gehörte.

Er öffnete die beiden Flügel und wir schauten in einen engen Durchgang zum Innenhof, der am hinteren Ende mit einer Gittertür verschlossen war.

Der Raum war schmal,aber lang.

Ein Kleinwagen war darin geparkt.

Als der Hotelchef meinen verwunderten Blick sah, lächelte er und meinte: „Hier könnt Ihr Euer Auto rein stellen, ich parke meins danach vor Eures.“

Er ließ uns etwas verdutzt stehen, stieg in seinen Wagen, stellte diesen auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab und kam direkt wieder zu uns um mich rückwärts in die enge Einfahrt einzuweisen.

Bis zu den Außenspiegeln ging alles ganz gut, aber ohne diese einzuklappen hätte unser Viererle da nicht durchgepasst.

Doch nun, nachdem der Hotelbesitzer sein Auto vor unseres gestellt hatte, stand er sicher hinter verschlossener Tür und wir konnten unser Zimmer beziehen.

Schlicht aber sehr gemütlich eingerichtet und, das Wichtigste: super sauber und gepflegt. Für umgerechnet 28 Euro ein Schnäppchen.

Der kleine aber gemütliche Innenhof mit Springbrunnen und mehreren Bänkchen war zugleich auch das hoteleigene Restaurant, wenn auch nur mit drei kleinen Tischen an denen je zwei Stühle standen.

Antigua. Frei übersetzt ‚Die Alte‘.

Zwischen mehreren Vulkanen gelegen kann die Stadt mit Einigem an Geschichte aufwarten.

Nun, wie Ihr wisst, möchte ich hier keinen Geschichtsunterricht geben, sondern von unseren Erlebnissen berichten.

Was haben wir in Antigua erlebt?

Na was schon? Geschichte!

Vermutlich eines der  beliebtesten Fotomotive in Antigua, die Iglesia De La Merced

Wie in so vielen Städten aus der Kolonialzeit gibt es auch hier gefühlt an fast jeder Ecke eine Kirche.

Nur, dass sich einige von denen in sehr schlechtem Zustand befinden.

Das liegt daran, dass es in dieser Gegend häufig Erdbeben gibt. Das letzte verheerende war erst 1976, und viele Gebäude wurden dabei schwer beschädigt.

Durch die Größe und aufwändige Bauart mit all den Bögen und Türmen sind Kirchen besonders anfällig.

Viele wurden nach den Beben wieder aufgebaut, manche aber einfach wie ein Trümmerhaufen liegen gelassen.

Einige dieser Ruinen kann man besichtigen, und das war ein Teil dessen, was wir hier erlebt haben.

Hier durften wir nicht rein - zu gefährlich!


Beim Schlendern durch die Strassen der auf ihre ganz eigene Art charmanten Stadt sind wir an vielen Schildern vorbeigekommen, auf denen Spanischkurse angeboten wurden.

Wir hätten also jede Menge Auswahl gehabt.

Doch der Funke wollte nicht so richtig überspringen, irgendwie war uns hier alles zu sehr amerikanisiert.

Wir beschlossen, den Sprachkurs nochmal zu verschieben.

Conny hatte auch schon einen Plan B im Kopf.

Monterrico, etwa 100km südlich von Antigua an der Pazifikküste gelegen, sollte wohl auch ein kleines Mekka für Spanischkurse sein.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!

Jede Menge Vitamine

So genossen wir das umtriebige, aber dennoch nicht stressige Antigua nur zwei Tage und drei Nächte bevor wir unser Viererle wieder vollpackten und, nach einem richtig leckeren (!) letzten Kaffee, die Weiterreise antraten.

Noch ein paar Postkarten schreiben und dann kann's weiter gehen

Richtung Meer.

Die Sonne im Visier, die Vulkane hinter uns lassend.

Und wer weiss, vielleicht ja auch an den Ort, an dem es ZOOM macht!?!

Lasst Euch überraschen! Bis bald…



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